Buchkritik -- Stephan Harbort -- "Ich liebte eine Bestie"

Umschlagfoto  -- Stephan Harbort  --  "Ich liebte eine Bestie" In der Boulevardpresse findet eine Art Kapitalverbrechen besondere Aufmerksamkeit: Serienmord. Der Täter wird medial durchleuchtet und dementsprechend seine Taten für ein Massenpublikum, welches in erster Linie an primitivem Nervenkitzel und weniger an handfesten Informationen interessiert ist, aufbereitet. Heerscharen von Journalisten schwärmen aus, um noch die letzten Pseudoinformationen von entfernten Verwandten, Nachbarn und Freunden zu veröffentlichen. Das öffentliche Gedächtnis ist jedoch von kurzer Dauer und so hat die Gerichtsverhandlung nur noch eine geringe Aufmerksamkeitsquote. Mit Verkündung des Urteils ist der Fall für Polizei und Justiz abgeschlossen und die Allgemeinheit wartet auf neue "Sensationen".

Doch es gibt einen Personenkreis, für den nichts abgeschlossen ist, für den, im Gegenteil, die Taten der Serienmörder zum lebenslangen Trauma werden. Dies sind zum einen die Opfer, welche das Glück gehabt haben, zu überleben und zum anderen die Familien und Verwandten der Täter. Der ersten Gruppe hat Stephan Harbort bereits ein Buch gewidmet. Mit seiner neuen Veröffentlichung "Ich liebte eine Bestie" legt er eine Untersuchung vor, die den Ehefrauen, Freundinnen und nahen Verwandten von Serienmördern gewidmet ist.

Wie reagieren diese, wenn sie mit der Tatsache konfrontiert werden, dass der von ihnen geliebte Mann eine Persönlichkeit besitzt, die er vor ihnen immer geheim gehalten hat? Wie werden sie mit der Tatsache fertig, dass ihr Mann oder Freund zu Grausamkeit und Sadismus fähig war und das Leben anderen Menschen kaltblütig auslöschte?

Stephan Harbort lässt Betroffene zu Wort kommen und zeigt eindringlich die Zäsur, welche auf brutale Weise aus den Verwandten und Ehefrauen der Serientäter selber Opfer machen. Nichts wird mehr so sein, wie es vorher war. Das soziale Umfeld wird kälter da es vielen Mitmenschen nicht gelingt, zwischen Täter und Beziehung zum Täter zu unterscheiden. In vielen Fällen, der Autor schildert sie, findet zwangsweise ein Wohnortwechsel in die Anonymität statt.

"Ich liebte eine Bestie" ist ein Buch, in dem die Ehefrauen und Freundinnen ausgiebig zu Wort kommen aber auch der Lebensweg der Täter geschildert wird. Für den Leser wird klar erkennbar, welche physischen und psychischen Verletzungen die Täter in ihrer Kindheit erhalten haben und wie dies ihre Taten erst möglich gemacht hat. Zu Recht wird dies jedoch niemals als Entschuldigung angeführt, sondern nur gezeigt, was bei einer Sozialisation alles schief laufen kann.

Stephan Harbort stellt sich in diesem Buch als Autor sehr zurück und lässt in erster Linie die Ehefrauen erzählen. Dass es mancher von ihnen nicht leicht fiel, sie es aber doch getan hat, ist ein Verdienst des Autors, der behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen die individuellen Schicksale dokumentiert. Wer dieses Buch aus voyeuristischen Beweggründen liest, wird enttäuscht sein. Wer aber wirklich nachvollziehen will, was betroffene Ehefrauen jenseits des praktizierten Medienrummels empfinden und wie sich ihr Leben und ihr Verhältnis zu ihren Ehemännern und Tätern entwickelt, der findet eine Lektüre, die des öfteren schmerzhaft unter die Haut geht.




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