Wenn der alte weiße Mann Suppe kochen muss

Es beginnt in jenem politisch aromatisierten Paralleluniversum, in dem Funktionäre der Gegenwart mit einer Selbstgewissheit auftreten, als hätten sie den Ernstfall persönlich erfunden. Eine grüne Spitzenpolitikerin, frisch aus dem Kokon der moralischen Veredelung, unberührt von Kasernenstaub, aber vertraut mit energetischen Raumbeduftungen, entdeckt plötzlich die Älteren. Nicht als Wähler, nicht als mahnende Stimmen der Erfahrung, sondern als Reservebestand. Als hinterlegte Notfall­konserven. Als Wehrkraftverstärkungs-Variante „Senioren mild“. Weiterlesen

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Putin ante portas

Die Luft erzittert. Nicht vor Kälte, nein, das wäre ja noch normal für einen durchschnittlich apokalyptischen Winter im Herzen Europas. Sie erzittert vor Furcht. Einer Furcht, die so dicht ist, dass man sie mit dem Löffel essen könnte, serviert zum Frühstücksfernsehen und als Betthupferl in den Spätnachrichten. Putin steht vor der Tür. Nicht vor irgendeiner Tür, nein, vor unserer Tür. Der kollektiven Haustür des Westens, und er hat nicht etwa geklingelt, um nach Zucker zu fragen. Weiterlesen

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Moral und Müdigkeit im modernen Kriminalroman Teil III

Die Zuschauer des Verbrechens

Das Publikum zwischen moralischer Erschöpfung und voyeuristischer Faszination

Der Kriminalroman beginnt traditionell mit einer Leiche, und endet mit einer Wahrheit. Doch zwischen diesen beiden Polen hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Dritter eingeschlichen: der Zuschauer. Er ist die stille Figur, die alles zusammenhält, und zugleich der wahre Gegenstand der modernen Kriminalliteratur. Denn ohne ihn gäbe es kein Verbrechen, das erzählt, kein Schuldgefühl, das erlebt, kein Recht, das wiederhergestellt werden müsste. Weiterlesen

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Moral und Müdigkeit im modernen Kriminalroman Teil II

Die ewige Jugend der Verbrecher

Anatomie einer moralischen Leerstelle

Die Helden sind müde geworden, aber das Böse bleibt frisch. Das ist vielleicht die grausamste Wahrheit des modernen Kriminalromans: Während Rebus, Wallander und Bosch an Körper und Gewissen erodieren, scheinen ihre Gegenspieler unverbraucht, zynisch vital, auf ewig jung. Sie altern nicht, weil sie nichts erinnern. Weiterlesen

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Die Rettung der Gerechten

Wie man den Bunker moralisch überhöht

Es war einmal ein Land, das den Weltuntergang ökologisch korrekt vorbereiten wollte. Während andere Nationen Atombunker bauten, in denen wenigstens theoretisch noch Platz für ein paar zufällig Überlebende blieb, beschloss man hierzulande, die Prioritäten neu zu ordnen: Nicht mehr der Mensch an sich, sondern der Mensch in Funktion sollte künftig Vorrang genießen. Ein Vorschlag, so visionär wie konsequent: Wenn die Katastrophe kommt, sollen zuerst jene in Sicherheit gebracht werden, die sie verwalten. Weiterlesen

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Moral und Müdigkeit im modernen Kriminalroman Teil I

Die erschöpfte Moral

Alte Männer, kalte Welt

Es gibt kaum eine literarische Figur, die das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft so präzise vermisst wie der Kriminalermittler. Er steht zwischen Gesetz und Leben, zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Schuld und Mitleid. Und er altert mit, unaufhaltsam, aber bedeutsam. Wenn man heute auf die großen Helden des europäischen und amerikanischen Kriminalromans blickt, dann sieht man vor allem eines: Männer, die nicht mehr können, aber nicht aufhören wollen. Weiterlesen

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Warum nur eine Million?

Die Hauptstadt des angewandten Irrsinns und ihr Aufforstungsplan

Man muss Berlin lassen: Es hat Stil. Niemand kann so ausdauernd, so majestätisch scheitern wie diese Stadt. Und dabei noch so überzeugt sein, gerade Großes zu leisten. Jetzt also: eine Million Bäume bis 2040 ­– und vorher auch noch ordentlich Knete für Bürgerräte. Der Berliner Senat hat das „Eine-Million-Prinzip“ erfunden, jene magische Zahl, die groß genug klingt, um Tatkraft zu suggerieren, und klein genug ist, um garantiert nichts zu verändern. Eine Million, das ist der neue Berliner Goldstandard für symbolisches Regieren. Weiterlesen

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Der „Stutti‟ und das Verschwinden der Orte

Gedanken über den Verlust von Topographien der Erinnerung

Der Ort, der sich weigert zu verschwinden

Es gibt Plätze, die keine Schönheit beanspruchen, und gerade darin ihre Wahrheit finden. Der Stuttgarter Platz in Berlin, von Einheimischen liebevoll-ruppig „Stutti“ genannt, gehört zu dieser Sorte urbaner Überlebender. Er hat den Krieg, den Wiederaufbau, die Kommune I und den moralischen Niedergang überstanden, aber nicht die Gegenwart. Weiterlesen

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Entfremdung und Identität in der Gegenwartsliteratur

Es ist still geworden in der Literatur der Gegenwart. Nicht, weil nichts mehr gesagt würde, im Gegenteil: Noch nie wurde so viel erzählt, bekannt, kommentiert, geteilt. Und doch durchzieht viele der bedeutenden Stimmen unserer Zeit ein merkwürdiges Verstummen. Hinter der Flut der Worte lauert das Gefühl einer inneren Abwesenheit, eines Ichs, das sich selbst nicht mehr erreicht.

Was einst ein Ausdruck der Moderne war, der Verlust der Mitte, das Schwanken des Subjekts, ist in der Gegenwart zu einer Lebensform geworden. Die Literatur reagiert darauf nicht mit Aufschrei, sondern mit fein kalibriertem Rückzug. Weiterlesen

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Infantil statt erwachsen

„Die Welt muss sich gefälligst mir anpassen‟

Es gibt Sätze, die man eigentlich nur aus dem Mund eines Dreijährigen erwarten würde, mit klebriger Schokolade um den Mund und trotzig verschränkten Armen. Ich muss mich nicht der Welt anpassen, sondern die Welt sich an mich.“ In der Wiege der Selbstermächtigung klingt das noch niedlich. Doch wehe, wenn der Trotzkopf erwachsen wird und ein Smartphone bekommt. Dann wird aus dem kindlichen Trotz eine Weltanschauung, aus der Lutschpastille ein Manifest.

Heute ist dieser Satz die heimliche Präambel sämtlicher westlicher Gesellschaftsverträge. Er steht unsichtbar in den AGBs der Zivilisation. Man kann ihn überall beobachten, auf der Straße, im Büro, in Talkshows, in der Politik. Es ist das Lebensmotto einer Spezies, die sich von der Evolution emanzipiert hat und nun glaubt, sie könne sich auch von der Realität scheiden lassen. Weiterlesen

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