Buchkritik -- Stephan Harbort -- Begegnung mit dem Serienmörder

Umschlagfoto  -- Stephan Harbort  --  Begegnung mit dem Serienmörder Serienmörder üben, ob wir es wollen oder nicht, eine ungeheure Faszination auf uns aus. Zum Glück kennen wir sie nur durch die Vermittlung der Unterhaltungsindustrie und so ist unser Bild auch von ihr geprägt. Stellvertretend für viele steht hier die Person des Hannibal Lecter, eine Figur in den Romanen von Thomas Harris, die durch die Verfilmung Das Schweigen der Lämmer berühmt-berüchtigt wurde. Intellektuell anziehend, gebildet und kultiviert taucht er vor uns auf. Geistig den meisten Zeitgenossen überlegen, jederzeit Herr der Situation, plant er perfektionistisch seine Verbrechen. Mehr als einmal scheint sich der Betrachter zu wünschen, einmal so sein zu können wie Lecter.

Soweit die Fiktion mit der uns nicht nur Hollywood in den Bann zu ziehen versucht. Die Realität indes sieht anders aus. Stephan Herbort zeichnet ein anderes, realistisches, Bild des Serienmörders. Weder intellektuelle Faszination, noch geistige Überlegenheit. Ausschließlich Gewalt, Triebbefriedigung und Destruktivität.

Während sich realiter die Täter während ihrer Gerichtsverhandlung regen Interesses erfreuen können, bleibt den Opfern in der Regel nur Scham und Hilflosigkeit. Kümmern sich Psychologen, Psychiater und sonstige Sachverständige um den Täter, von teilweise prominenten Rechtsanwälten ganz zu schweigen, so bleiben die überlebenden Opfer mit den bleibenden Schäden allein.

Der Autor gibt mit seinem Buch Begegnung mit dem Serienmörder endlich den Opfern ein Forum. Der Leser wird konfrontiert mit den Erinnerungen an die Tat, die eine Existenz, ein Leben, auf immer verändert hat. Nichts weniger als erschütternd sind die Aussagen der Überlebenden. Die existentielle Bedrohung noch einmal zu durchleben, die Schmerzen noch einmal zu fühlen, die Hilflosigkeit - damals wie heute - erneut zu spüren.

Stephan Herbort ist es nicht an reißerischer Plakativität gelegen, wie es vielleicht der Untertitel des Buches Jetzt sprechen die Opfer vermuten läßt und der etwas unglücklich gewählt erscheint, würde dieser Satz doch besser zu den sensationsgierigen Enthüllungen der Boulevardpresse passen. Sein Interesse und sein glaubhaftes Mitgefühl mit den Opfern erschließt dem Leser erst in ganzer Breite die Ungeheuerlichkeit des Verbrechens.

Wer glaubt, daß es ihn selber nicht treffen könne, den belehrt der Autor schnell eines Besseren. Der Zufall, weniger als eine stringente Planung, spielen bei der Begegnung zwischen Täter und Opfer die größte Rolle. Können wir es verhindern selber Opfer zu werden? Stephan Herbort ist da sehr skeptisch. Zwar gibt es bestimmte Situationen, welche es wahrscheinlicher machen zu einem Opfer zu werden, wie z. B. Trampen, doch generell gilt - und das ist die erschreckende Botschaft dieses Buches - jeder kann jederzeit ein Opfer werden.

Der scheinbar lapidare Spruch: "Falscher Ort, falsche Zeit" kann schnell grausame Realität werden.




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