Buchkritik -- Albrecht Rothacher -- Im Wilden Osten

Umschlagfoto  -- Albrecht Rothacher  --  Im Wilden Osten Manchmal ist es gut auf dem Weg in die Zukunft anzuhalten und rückblickend sich zu vergegenwärtigen, wie der Ausgangspunkt bestimmter historischer Entwicklungen gewesen ist. Eine bedeutende Zäsur in der Geschichte des 20. Jahrhunderts war ohne Zweifel das Ende des Kalten Krieges und die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Transformationen der vormals unter dem Einfluß des Kommunismus stehenden Staaten Osteuropas. In den Jahren 1989-2001 fand in den Ländern Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Bulgarien und Kroatien ein Umbruch statt, der so in der modernen Geschichte noch niemals stattgefunden hat. Bis auf Kroatien sind alle Länder inzwischen Mitglieder der EU.

Albrecht Rothacher hat diese Phase des Umbruchs in seinem Buch Im Wilden Osten dokumentiert. Sein umfangreiches Buch hebt sich aufgrund seiner gründlich recherchierten Analysen wohltuend von anderen Büchern ab, bei deren Lektüre man überwiegend den Eindruck bekommt, es mehr oder weniger mit offiziellen Regierungserklärungen zu tun zu haben. Politisch und wirtschaftlich war diese Phase der Umgestaltung für die betroffenen Staaten weitaus dramatischer, als es die politische Klasse in Deutschland wahrhaben wollte. Mit "Sonntagsreden" wurden die Probleme heruntergespielt und dem Wahlvolk des öfteren glatte Lügen aufgetischt.

Diese, bestenfalls Halbwahrheiten zu nennenden, Manipulationen der veröffentlichten Meinung sind nicht die Sache des Autors. Rothacher redet Klartext und nimmt keine Rücksicht auf politische Korrektheit. Es ist immer wieder erstaunlich, wieviele Tatsachen von den Medien gar nicht, oder bestenfalls unkorrekt wiedergegeben wurden. Nicht selten kam es vor, daß aus Kostengründen gar kein Reporter vor Ort recherchierte, sondern es wurden bereits veröffentlichte Artikel übernommen.

Rothachers Analysen bestechen durch das umfangreiche Faktenmaterial, welches er nicht nur wirtschaftlich und politisch analysiert, sondern sein Augenmerk besteht auch in der Interpretation der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Umbruchs. Ein Fakt, der bei politischen Aussagen unserer Volksvertreter immer gerne verdrängt wird. Dabei ist doch die Brisanz dessen, was die Transformationen für die jeweiligen Bevölkerungen bedeuten, für die Entwicklung von demokratischen Strukturen dieser Staaten von eminenter Wichtigkeit.

Der Autor nimmt bei all dem kein Blatt vor den Mund und beschreibt die Realität, die in einigen Fällen so gar nicht zu den Reden etablierten EU-Politiker passen will. Er beschreibt sowohl die kriminellen Machenschaften der alten Politkader, als auch gelungene Beispiele dieser gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Transformationen. Wer sich wirklich über diese Zeit des Umbruchs informieren will, der kommt an diesem Werk nicht vorbei.

Wer sich außerdem auch noch über die aktuelle Situation im Fernen Osten informieren will, der sollte das aktuelle Buch "Mythos Asien" dieses Autors lesen.




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