Buchkritik -- Siegfried Weischenberg -- Medienkrise und Medienkrieg

Umschlagfoto, Buchkritik, Siegfried Weischenberg, Medienkrise und Medienkrieg , InKulturA Kritik am Journalismus, an dessen oft tendenziöser Berichtserstattung ist so alt der Journalismus selber. Angestellte vertreten und, im Fall medialer Informanten, veröffentlichen und verbreiten die (politische) Meinung ihrer Arbeitgeber, also der Verlags- und Zeitungsbesitzer. So weit, so klar und schon immer praktiziert.

Nicht erst mit dem Einbruch der digitalen Möglichkeiten hat sich innerhalb der Medienbranche ein dramatischer Umbruch ereignet. War es doch lange vor den technischen und publizistischen Möglichkeiten des Internet die Falle des kommerziellen Denkens, die, obwohl in den anglo-amerikanischen Ländern konstruiert, in Europa und besonders Deutschland zuschnappte und für zum Teil erhebliche sowohl qualitative, in Bezug auf die Integrität der Inhalte, als auch personelle Konsequenzen, nämlich den Abbau qualifizierter redaktioneller Stellen verantwortlich war.

Im Vertrauen darauf, die Abonnenten, die Stammleser und die Kioskkäufer der Medienerzeugnisse, sprich Zeitungen und Magazine auf immer an sich gebunden zu haben, verschlief die ganze Branche einen Generationenwechsel; und mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet eröffnete, welche von den verantwortlichen Verlegern und den kaufmännischen Köpfen der Verlage weder erkannt, geschweige genutzt wurden, wurde sukzessive daraus die heutige Krise und der daraus resultierende Vertrauen- und Leserschwund.

Dabei ist, kurioserweise sind sich hierin alle Akteure einig, eine funktionierende und ausgewogen informierende Medienwelt eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens. Bezüglich Ausgewogenheit, Objektivität und inhaltlicher Qualität ist, seit der verlegerische Fokus primär auf der Profitabilität seiner Erzeugnisse ruht, einiges im Argen.

Der Kommunikationswissenschaftler Siegfried Weischenberg und lange Zeit im Journalismus tätig, untersucht in seinem Buch "Medienkrise und Medienkrieg" die seit den 70er Jahren festzustellende Krise der Medien. Unaufgeregt, manchmal ironisch, jedoch selten Ross und Reiter nennend, analysiert er den aktuellen Zustand der deutschen Informationsmedien, und der ist, gelinde gesagt, verbesserungswürdig.

Unethisches Verhalten (die Barschel-Berichterstattung, die Gladbecker Geiselaffäre und die mediale Hatz auf den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff), die zunehmende Boulevardisierung auch der sich als seriös bezeichnenden Medien, Fehleinschätzungen (siehe Finanzkrise 2008, bei der sich Verleger und Chefredakteure von der Bundeskanzlerin quasi diktieren ließen, wie die Krise im Sinne der Bankenrettung den Bürgern zu erklären sei), die Filterblase, in der Journalisten leben ("Journalisten haben vor allem Journalisten als Freunde und braten im eigenen Saft"), Selbstreferentialität und der aktuelle Hang zur Volkspädagogik, d. h. zur unverhüllten Hofberichterstattung, bei der die Grenze zwischen Propaganda und (Falsch)Information undeutlich wird, sind nur einige Kritikpunkte der Untersuchung.

Dass mit dem Internet, seinen sozialen Medien und Blogs eine Konkurrenz für den etablierten und saturierten Medienbetrieb entstanden ist, bestreitet auch der Autor nicht, obwohl er deren Bedeutung doch eher zu gering einschätzt. Dass sich der Journalismus gerne instrumentieren lässt, zeigen deutlich die beiden Irak-Kriege, in denen die Berichterstatter in die politische und militärische Sichtweise der USA und deren Verbündeten eingebettet waren. Handfeste Informationen? Fehlanzeige!

Die Frage und ebenfalls der Untertitel des Buches "Brauchen wir überhaupt noch Journalismus?" ist nicht schwer zu beantworten. Natürlich sind funktionierende, ihre Aufgabe erfüllende Medien, sind Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen - obwohl seit Jahren unter Leser-, Zuhörer- und Zuschauerschwund leidend - wichtige Garanten einer demokratischen Gesellschaft, in der informierte Bürger sich wohlbegründete Meinungen bilden können und müssen. Leider liefert der derzeit mit wenigen Ausnahmen praktizierte Journalismus dafür nicht mehr die Voraussetzungen. Ob das, wie der Autor es u. a. fordert, mit einer besseren Ausbildung des journalistischen Nachwuchses gelingen kann, bleibt allerdings fraglich.




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Veröffentlicht am 27. Dezember 2017