Buchkritik -- Wolfgang Strauss -- Unternehmen Barbarossa

Umschlagfoto  --  Wolfgang Strauss  --  Unternehmen Barbarossa Ein mutiges Buch. Immerhin geht es um nicht weniger, als um die Neuinterpretation des Rußlandfeldzuges im 2. Weltkrieg. Wolfgang Strauss ist der Meinung, und er stützt sie auf zahlreiche russische Veröffentlichungen, das der deutsche Krieg gegen Rußland ein Präventivkrieg war. Wäre Hitler dem Nichtangriffspakt, den Deutschland und Rußland geschlossen hatten, gefolgt, dann hätte Stalin unweigerlich den Krieg eröffnet. Hitler kam ihm also gewissermaßen zuvor.

Ein Buch wider den politischen Mainstream. Es traut sich, unabhängig vom Ausgang des Krieges und dem Nationalsozialismus als solchem, die Frage nach der "wahren" Geschichte zu fragen. Bis vor kurzen noch in den Archiven der russischen Geheimdienste gelagert, kommt immer mehr Material zum Vorschein, das die These von Strauss und übrigens vor ihm auch von Ernst Nolte, bestätigt. Nämlich das Stalin seinerseits einen Angriff auf Nazi-Deutschland plante.

Das Buch berührt einen immer noch sehr empfindlichen Punkt in der deutschen Geschichte, nämlich die Frage, wie es möglich werden kann, das unabhängig von politischen Zeitgeist, egal ob in- oder ausländischer Couleur, objektive Geschichtsforschung betrieben werden kann. Dazu gehört auch die Veröffentlichung von Aktenmaterial des ehemaligen Gegners und seiner damaligen politischen Führung.

Im Gegensatz zu der Situation in Deutschland, sieht Strauss in Rußland kein "Denkverbot", kein Tabuthema in Bezug zur Aufarbeitung der Geschichte. Es gibt in Rußland, so der Autor keine "Nationalmasochistischen Schuldkomplexe", vergleichbar mit denen in Deutschland. Auch Rußland ist dabei seine politische Vergangenheit aus den Archiven zu holen und zu verarbeiten. Dabei wird genauso wie Stalins Terror, dem Millionen zum Opfer fielen, der Gulag zur Sprache kommen müßen.

Es geht Strauss nicht darum zu relativieren, wer die meisten Opfer zu verantworten hat, sondern um die Möglichkeit einer objektiven Geschichtsforschung. Es ist zweifellos ein unpopuläres Buch, weil es ein Tabuthema behandelt. Doch muß die Frage erlaubt sein, wie Geschichte geschrieben werden soll. Aus der Sicht der Sieger, oder als Versuch, die Dinge möglichst objektiv und anhand beweisbarer Quellenlage zu untersuchen. Bei diesem Versuch spielt natürlich auch das Bewußtsein eines Volkes für die eigene Geschichte eine große Rolle. Hier sieht Strauss in Deutschland erhebliche Defizite.

Wer bereit ist, sich vorteilsfrei mit Geschichte zu befassen und sich auch einmal eine Meinung außerhalb des allgemein veröffentlichten Kanons anzuhören, der sollte dieses Buch lesen.




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