Buchkritik -- Laura Spinney -- 1918 - Die Welt im Fieber

Umschlagfoto, Buchkritik, Laura Spinney, 1918, Die Welt im Fieber, InKulturA Im Schatten des zu Ende gehenden Ersten Weltkriegs ist die Spanische Grippe aus dem öffentlichen Bewusstsein bzw. aus der historischen Erinnerung nahezu verschwunden. Dabei forderte diese Pandemie weitaus mehr Opfer als der Große Krieg. Zwischen 1918 und 1920 war sie für 25 Millionen, nach einer neueren Bilanz des Bulletin of the History of Medicine sogar 50 Millionen Tote verantwortlich.

Laura Spinney ruft den Ausbruch, den Verlauf und die gesellschaftlichen, politischen und sozialen Konsequenzen dieser globalen Krankheit wieder ins kollektive Gedächtnis und zeichnet die dramatischen Umstände nach, die, so ihr Fazit, möglicherweise den Gang der Weltgeschichte verändert haben.

Bereits die Bezeichnung Spanische Grippe ist irreführend, denn der Ausgang der Krankheit war, sichere Fakten gibt es auch heute noch nicht, vermutlich in Asien. Von dort raste sie um den ganzen Globus und verschonte kaum eine Region. China, Indien, die USA und Südamerika waren genauso betroffen wie Europa. Einzig Australien wurde aufgrund eines strengen "Cordon sanitaire" verschont.

Da das medizinische Wissen und der damalige Stand der Forschung weder Kenntnisse über die Ursachen der Krankheit, geschweige deren Bekämpfung besaß, traten Scharlatanerie und gefährliche, vor allem aber nutzlose Reaktionen auf den Plan. Als, um ein Beispiel der Autorin zu nennen, bekannt wurde, dass an Syphilis erkrankte Menschen wenig bis gar nicht zu den Opfern der Spanischen Grippe gehörten, stieg der Verbrauch von Präparaten mit Quecksilber sprunghaft an, mit dem Ergebnis einer zunehmenden Zahl von Vergiftungen. Hysterie gepaart mit Hilflosigkeit waren ein fatales Duo des damaligen Zeitgeistes.

"Die Welt im Fieber", so der Untertitel, ist ein minutiös recherchiertes Buch, das genau 100 Jahre nach dem Aufflammen der Krankheit erscheint und gleichzeitig eine Warnung vor Fatalismus und Impfmüdigkeit darstellt. Denn, darin sind sich Fachleute einig, die Frage lautet nicht ob die nächste Pandemie droht, sondern wann sie eintritt.




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Veröffentlicht am 21. April 2018