Buchkritik -- Claudia Sammer -- Als hätten sie Land betreten

Umschlagfoto, Buchkritik, Claudia Sammer, Als hätten sie Land betreten , InKulturA Es gibt Freundschaften, die, wenn es denn einen Gradmesser für die Verbundenheit zwischen Menschen gibt, weit über gemeinsame Interessen, Geschmack oder Sympathie hinausgehen. Eine solche verbindet Lotti und die Jüdin Veza, die seit Jahren Vertraute sind. Als junge Frau konvertiert Veza zum christlichen Glauben und tritt in einen Orden ein. Trotzdem wird sie 1944 in ein Vernichtungslager überführt.

Lotte lebt ihr Leben weiter, schwer getroffen vom Verlust ihrer Freundin, und bringt zwei Kinder zur Welt, kann ihrer Tochter Luna aber lange Zeit nicht verzeihen, dass das Mädchen versehentlich einen Sturz ihrer Mutter verursachte, der zu einer Fehlgeburt führte.

Lunas Tochter, Lottis Enkelin, findet in deren Nachlass Zeichnungen, von denen niemand in der Familie wusste, dass sie existieren, beziehungsweise, dass Lotti sich mithilfe dieser Bilder weiterhin mit Veza verbunden fühlte.

Drei Generationen, Lebensentwürfe in schwierigen Zeiten, zwischen Tradition und Aufbegehren, wie im Fall von Lottis Tante Alma, die, als das Bild der Frau noch ein Pendeln zwischen Küche, Kindern und Ehemann darstellte, bereits berufstätig war und, unerhört, einen Wagen besaß.

Claudia Sammer erzählt die Geschichte dieser Frauen aus einem distanzierten Blickwinkel, macht sie sich nicht zu eigen, sondern lässt ihren Figuren den Freiraum, über sich und ihr Verhältnis zu den Eltern, aber auch deren Eingebundenheit in die Zeitgeschichte zu reflektieren.

Doch erst Luna gelingt es durch den überraschenden Fund der Zeichnungen und Bilder Lottis und dem Kontakt zu Dorothea, einer Mitschwester von Veza, rückblickend ungelöste Fragen zu beantworten, nie ausgesprochene Wünsche aufzudecken und auch das Verhalten der Mutter ihr gegenüber zu verstehen.

„Als hätten sie Land betreten“ ist ein mit leisen Tönen erzählender Roman, dessen Autorin es versteht mit wohltuend ruhiger Diktion die Geschichten von Frauen zu zeichnen, die jeweils auf ihre eigene Weise dem Leben entgegentreten.




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Veröffentlicht am 29. September 2020