Buchkritik -- Arundhati Roy -- Die Politik der Macht

Umschlagfoto  -- Arundhati Roy  --  Die Politik der Macht Globalisierung - für die einen ein notwendiger und unumkehrbarer Prozeß, für die anderen die Ausbeutungsform des 21. Jahrhunderts. Wägen sich die ersteren als Gewinner, so sehen sich die zweiten als Verlierer. Arundhati Roy beschreibt die Auswirkungen der Globalisierung aus der Sicht derjenigen, die gemeinhin als Verlierer gelten. Die Autorin wurde neben ihrem Roman Der Gott der kleinen Dinge vor allem für Ihre Bemerkung bekannt, das zwischen dem Terrorführer Osama bin Laden und George Bush kein Unterschied besteht. Beide würden eine bestimmte Spezies Mensch darstellen, die sich im Kern sehr ähneln. Was für ein Aufschrei ging durch die "Berufsbetroffenen". Die deutsche Presse- und Medienlandschaft, seit der Rot-Grünen Machtübernahme ohnehin gleichgeschaltet, führte schwere Geschütze auf. Aus der hochgelobten Schriftstellerin wurde eine verbissene Aktivistin, die keim Mitgefühl für den Kummer und die Trauer der Opfer des Terroranschlags von New York hatte. (Wer hatte Mitgefühl und Trauer für die zum Ende des zweiten Weltkriegs getöteten deutschen Zivilisten durch die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte?)

Arundhati Roy hat sich nicht gescheut in ihrem Buch hinter die Kulissen des Kapitals zu schauen. Sie hat recht wenn sie behauptet, das zwischen einem Terroristen und einem politischen Führer kein wesentlicher Unterschied besteht. Ich sage sogar, das auch zwischen einem global operierendem Manager und einem Terroristen kein wesentlicher Unterschied besteht. Wer Roys Essay über das indische Narmada-Stauprojekt liest, wird wissen was ich meine. Zehntausende von Menschen werden ihrer Heimat und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Der Strom der mit Hilfe dieses Projektes erzeugt werden soll, ist so teuer, das ihn sich kein normaler Inder mehr leisten kann. Verdienen tun am Ende nur die Erbauer des Staudamms - und die sitzen in den Industrieländern.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen, welches auf die von Roy angesprochene gemeinsame Mentalität von Terrorfürsten, Politikern und Wirtschaftsbossen hinweist. Die sog. Industrienationen halten ihre eigenen Werte immer für global durchsetzbar. Ein fataler Fehler, der sich anscheinend mehr und mehr als Bumerang erweist. Die sog. Dritte Welt scheint nicht mehr länger bereit zu sein, sich am Gängelband der kapitalistischen Länder führen zu lassen. Geschöpfe wie Osama bin Laden und sein Terror-Netzwerk Al-Kaida werden nur der Anfang sein.

Arundhati Roy plädiert für ein Wiederentdecken des Kleinen, des Überschaubaren. Nicht eine Globalisierung der wirtschaftlichen Interessen, sondern die regionale Entscheidung über Machbares und Sinnvolles soll in Zukunft im Vordergrund stehen. Nicht die Interessen und der Gewinn von Aktionären, sondern die Verhältnisse der vor Ort lebenden Menschen sollen im Mittelpunkt stehen. Ein Wunsch dem man nur beipflichten kann und der dennoch ein Wunsch bleiben wird. Die Autorin, Inderin und sich der Problematik dieses ethnisch und religiös gespaltenen Landes bewußt, zeigt die Wiedersprüche und den Wahnsinn eines Landes auf, das zwar die Fähigkeit besitzt Atombomben zu bauen und doch nicht dazu in der Lage ist, seine Bevölkerung zu ernähren.

Solche Wiedersprüche lassen sich in allen Nationen aufzeigen. Solange es nicht gelingt, diese befriedigend zu lösen, solange ist Indien überall.




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