Buchkritik -- Jürgen Roth -- Mafialand Deutschland

Umschlagfoto  -- Jürgen Roth  --  Mafialand Deutschland Mafia - ein Begriff den die meisten wohl eher mit Italien oder Amerika verbinden als mit Deutschland. Folgerichtig bestreiten denn auch regelmäßig offiziell veröffentlichte Polizeistatistiken das Vorhandensein von mafiosen Strukturen in der Bundesrepublik. Einer der es besser weiß, ist Jürgen Roth. Er, einer der wenigen wirklich investigativen Journalisten in Deutschland, behauptet seit langem, daß die Mafia längst in unserem Land angekommen ist.

In seinem neuen Buch Mafialand Deutschland beschreibt er die aktuelle Situation. Diese deckt so wenig mit den veröffentlichten Statistiken, daß man sich als Bürger fragen muß, ob diese Wahrnehmungsdifferenz aus politischem Einfluß resultiert, oder Journalisten wie gerade Jürgen Roth zur Panikmache neigen. Die Belege und Beweise die er allerdings in seinem Buch anführt, sprechen eine andere, sehr deutliche Sprache. Sowohl die italienische Mafia, als auch die russische Mafia, sind in Deutschland aktiv.

Roth scheut sich nicht, mafiose Organisationen in die Nähe von global agierenden Konzernen zu stellen. Zu deutlich sind die Übereinstimmungen der Handlungsweisen und Ziele zwischen Wirtschaft und Organisierter Kriminalität. Der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und die folgende Globalisierung der Wirtschaft und der damit verbundenen Kapitalströme haben das Aktionsfeld, sowohl das von multinational agierenden Konzernen, als auch jenes von der schon immer international tätigen Mafia wesentlich erleichtert.

Die Frage, welche sich der Leser schon nach wenigen Seiten stellt, warum dagegen nichts unternommen wird, beantwortet Jürgen Roth sehr eindeutig. Politisch sind spektakuläre Aktionen gegen das Organisierte Verbrechen nicht erwünscht, weil es, wie bereits beschrieben, offiziell gar nicht existiert. Polizei und Staatsanwaltschaft werden bei ihren Ermittlungen behindert oder gar gestoppt. Allzu erfolgreiche Fahnder auf andere Posten versetzt und Richter treffen manchmal merkwürdige Entscheidungen - zugunsten der Angeklagten.

Wer jetzt denkt, daß dieses Buch sich durch die lebhafte Phantasie des Autors auszeichnet, der wird durch die Beweise, die Jürgen Roth anführt, eines Besseren belehrt. Gespräche mit involvierten Ermittlern, italienischen Staatsanwälten und außerhalb Deutschlands veröffentlichte Berichte und Untersuchungen belegen seine Argumente.

Gibt es nun in Deutschland, wie schon längst in Italien, eine Interessenverbindung zwischen Politik und Kriminalität? Der Autor bejaht dies eindeutig. Noch ist zwar kein Fall bekannt geworden, in dem politische Entscheidungen aufgrund einer mafiosen Einflussnahme getroffen wurden, doch unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle sind bereits Kooperationen realisiert worden.
Real existierend ist dagegen der direkte Einfluss, der von Seilschaften bestehend aus gewendeten Kadern der ehemaligen DDR in den neuen Bundesländern ausgeübt wird. Diese neue Spielart der Organisierten Kriminalität ist schon lange im Visier von Jürgen Roth. Dieser Teil seiner neuen Veröffentlichung ist denn auch der bei weitem brisanteste. Er nennt Namen und stellt Verbindungen zu Aktivitäten her. Interviews mit beteiligten Ermittlern oder Politikern geben einen genauen Einblick in diese Strukturen, die zum Teil bis in höchste Ämter der jeweiligen Landesregierungen führen. Ermittlungen werden eingestellt, Fahnder und Staatsanwälte eingeschüchtert und kritische Bürger mundtot gemacht. Diese Zustände kommen in der Tat italienischen Verhältnissen gleich. So groß ist die Macht dieser neuen Seilschaften.

Das Buch erschüttert den Leser und läßt große Zweifel am Willen des Rechtsstaates aufkommen, sich gegen kriminelle Einflüsse zur Wehr zu setzen. Das beginnt bei der Vermischung von politischen und persönlichen Zielen und führt über illegale Machenschaften zur direkten Bereicherung Einzelner. Ein Staat, dem es nicht mehr gelingt, bzw. der nicht willig ist, bestehende Gesetze anzuwenden, der ebenfalls nicht mehr dazu in der Lage ist, die Sicherheitsinteressen seiner Bürger zu schützen, sondern sie im Gegenteil aushöhlt, der kann sich schwerlich demokratisch nennen.

Hierin sieht Jürgen Roth in seinem Resümee denn auch die größte Gefahr für unser Gemeinwesen. Nichts erschüttert den Glauben der Bürger an die Funktionsfähigkeit eines Staates mehr, als amtlich vereitelte Strafaufklärung und persönliche Bereicherung auf Kosten des Steuerzahlers. Politik und Justiz sollten schnell handeln.




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