Leseprobe -- Karin Jäckel -- Deutschland frisst seine Kinder*

Die wahre Gefährdung und Zersetzung der Familie kommt nicht von innen
Nein, die wahre Gefährdung der Familie kommt von außen. Der Blick in die Geschichte zeigt es eindeutig. Männer und Frauen zog und zieht es zusammen. Zu allen Zeiten, selbst als sie noch nichts oder nur Ungenaues von der Funktion ihrer Organe und Körperteile wussten, ging von den Geschlechtern eine unwiderstehliche gegenseitige Faszination aus. Es gefiel ihnen, zusammenzuleben und einander zu ergänzen. Sie verstanden, dass es ihre Überlebensaussichten verbesserte, wenn sie sich auf ihre Weise beistanden und zusammen Kinder großzogen, deren ganz spezielle zukunftsweisende Aufgabe sie schätzen lernten. In dieser sich selbst reproduzierenden, auf optimale Weise an die Anforderungen des Lebens angepassten «Dreieinigkeit» erkannten sie die optimale Grundform allen Lebens.

Veränderungen entstanden nicht, weil eine funktionablere Variante in unwillkürlichen Evolutionsprozessen entwickelt worden wäre oder Mann und Frau ganz bewusst eine bessere Grundform schufen. Veränderungen entstanden vielmehr aufgrund geistiger Prozesse Einzelner und ihrer den anderen überlegenen Führungspersönlichkeit. Verbunden mit Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen und der Fähigkeit, Macht auch im Sinne von Gewalt auszuüben, gelang es ihnen, eine Lebensordnung zu entwickeln und durchzusetzen, die ihrem persönlichen Ideal entsprach und zugleich verbindlich für jeden Einzelnen der Allgemeinheit wurde.

War es früher eher die brachiale körperliche oder mit Waffen ausgeübte Gewalt, die das gemeine Volk dazu brachte, sich den Ideen und der Willkür der Mächtigen zu beugen, so wird heute mit den psychologischen Mitteln des Wortes agiert und manipuliert, um Ideologien in Mode zu bringen und Massenbewegungen unter Mitläuferinnen und Mitläufern zu erzielen. Der notwendige Gehorsam wird mit juristischen Mitteln durch Entzug von Privilegien und Beeinträchtigung von Grundrechten erzielt. Etwaige Widerstand Leistende werden mit Geld gepresst oder geschmiert. Das kleine Häuflein verbleibender Aufrechter wird gekonnt ignoriert und durch bewusstes Fernhalten aus den Medien totgeschwiegen.

Damals wie heute zerbrechen im Spannungsfeld der Veränderungen verbindlich vereinbarte Verhaltensmuster der Geschlechter und damit verbundene gesellschaftliche Rollen. Als kleinste Gemeinschaft bildende Einheit zerbrechen Familien mit.

Auch die heute allenthalben konstatierte Krise der Paarbeziehung hat keine anderen Ursachen als den demagogischen Machtpoker der Führungselite, an dem die Medienmitarbeiterinnen und Medienmitarbeiter als Wächter, Aufputscher und Meinungsmacher teilnehmen. Es passt zu diesem demagogischen Spiel, die Verunsicherung der Individuen zu einem Krieg der Geschlechter zu schüren, um das politische Ziel des gesellschaftlichen Umbruchs weg vom Patriarchat hin zur Gleichstellung der Geschlechter mit heute unübersehbarer Tendenz hin zu einem neuen Matriarchat zu fördern.

Indem seit Jahren unablässig eine Flut von politischen Meldungen, neuen Gesetzen und Gesetzesvorlagen im Verbund mit Buchtiteln, Filmbeiträgen, Presse-Schlagzeilen, Talk-Show-Themen, Vortragsparolen und mehr oder minder seriösen Forschungsprojekten glauben machen will, dass Männer stets Gewalttäter und Frauen stets Gewaltopfer sind, weil Männer und Frauen einfach nicht zusammenpassen oder geschlechtsbedingt andere Sprachen sprächen oder Frauen von der Venus und Männer vom Mars kämen, wird manipuliert, was das Zeug hält.

Während es das Ziel feministischer Politikerinnen und Politiker und Frauenrechtlerinnen ist, Frauen zu stärken und Männer abzuwerten, um den gewünschten Verdrängungsmechanismus anzuhei zen und möglichst alle traditionellen Männerdomänen zu erobern, halten Männer mehrheitlich aus falsch verstandener Ritterlichkeit und archetypischem Beschützerinstinkt selbst dann eher zaghaft dagegen, wenn das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Erzogen von Müttern, deren Anspruch auf Gleichberechtigung althergebrachte Erziehungsmodelle verhindert, aber noch keine oder zu wenige für gut befundene und erprobte Ersatzmuster bietet, sind sowohl Töchter als auch Söhne der Nachkriegszeit von dem berechtigten Anspruch der Frauen auf Gleichberechtigung überzeugt. Gleichzeitig aber sind sie in der Handhabung dieser Gleichberechtigung zutiefst verunsichert.

Wie eine 1995 an der Universität zu Köln erarbeitete Studie von Ulrich Schmidt-Denter und Wolfgang Beelmann über «Familiäre Beziehungen nach Trennung und Scheidung» und damit verbundene «Veränderungsprozesse bei Müttern, Vätern und Kinder» nachweist, verhalten sich «Mütter gegenüber Töchtern emotional zugewandter, einfühlsamer, geistig anregender und weniger kriminalisierend / entmutigend als gegenüber Söhnen». Gleichzeitig ließ sich im Verhalten der Mütter gegenüber ihren Söhnen «mehr negativer Affektaustausch, mehr Spannungen, mehr distanziertes Verhalten sowie weniger Zuhören und wechselseitiges Verständnis registrieren».

Ergänzend dazu ließe sich eine im Dezember 1999 vorgestellte Studie der Tübinger Pädagogen Gunter Neubauer und Reinhard Winter anführen, in welcher festgestellt wurde, dass Jungen von Erwachsenen grundsätzlich kritisch und eher negativ als «Macho», «Gockel» oder «Cowboy» wahrgenommen werden. So wurde behauptet, Jungen seien sozial und emotional inkompetent, kommunikationsunfähig und bewältigungsschwach. Stets wollten sie angeblich die Stärksten, Schönsten und Größten sein. Die Jungen selbst hielten sich für unauffällig, kompetent und bewältigungsstark. Mit dem Wunsch, «normal», stark und gut aussehend zu sein, verbanden sie vor allem das Bedürfnis, nicht aus dem Rahmen zu fallen oder sich von der Gruppe abzugrenzen.

Parteilichkeit der Beziehung zwischen Frauen und Mädchen lässt sich ebenso wie die Distanzhaltung zwischen Frauen und Jungen in allen erzieherischen Bereichen beobachten. Besonders deutlich wird dies an Grundschulen und während der ersten Klassen der weiterführenden Schulen, in denen Mädchen wegen ihrer «süßen» Art und natürlichen Vorliebe für Konzentrationsspiele klar bevorzugt werden.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Erziehungsarbeit innerhalb und außerhalb der Familien überwiegend von Frauen geleistet wird. Abgesehen von Müttern und Großmüttern, sind es vornehmlich Erzieherinnen in öffentlichen Betreuungseinrichtungen sowie Lehrerinnen an Grundschulen, welche die für die Persönlichkeitsentwicklung entscheidenden Kinderjahre prägen.

Von ihnen lernen,Töchter / Mädchen, dass die «neue» Frau knallhart und « böse» gegen Männer sein muss, um ihre Gleichberechtigung durchzusetzen. Söhne / Jungen hingegen werden zunehmend zum «Liebsein» bzw. dazu erzogen, nur ja kein «Pascha» zu sein, sondern in die ehemalige Rolle der Frau zu schlüpfen. Gleichzeitig werden sie gezielt in ihrem eigenen ebenso berechtigten Anspruch auf dieselbe Gleichberechtigung gebremst. Aus Angst, mit jedem Anspruch an eine Frau in das bei Frauen wie Männern gleichermaßen negativ besetzte Verhaltensmuster des alten patriarchalen Dominanzgebarens zurückzufallen und als «Macho» verpönt zu werden, scheuen vor allem viele junge Männer davor zurück, ihre eigenen Grenzen zu schützen und dem überbordenden Machthunger von Emanzipation falsch verstehenden Frauen selbstbewusst zu begegnen.

Das gesellschaftsrelevante Ergebnis dieser Veränderungen lesen wir an steigenden Scheidungszahlen sowie dem Trend, dass Politikerinnen und Politiker Frauen bis heute trotz der längst schon erreichten Gleichberechtigung in zunehmend krasserem Ausmaß als Opfer männlicher Vorherrschaft darstellen und Männer entsprechend benachteiligen.

Weniger aus politischen als aus eher lukrativen Gründen schwimmen die Medien ganz oben auf dieser Welle des gesellschaftlichen Umbruchs mit. Indem sie den Zeitgeist erfassen und schüren, bedienen sie sich dieser gewissen Stammtisch-Stichelei, welche das Gefühl von Solidarität gegen den «Klassenfeind» vermittelt, und verdienen sich daran eine goldene Nase. Quasi als Nebenprodukt ihres Wirtschaftsinteresses fördern sie den machtpolitischen Geschlechterkampf und platzieren im Unterbewusstsein der Individuen das Wissen, dass Männer und Frauen nicht dauerhaft miteinander auskommen können.

Letztlich resultieren alle diese Komponenten des gesellschaftlichen Wandels daraus, dass Männer und Frauen nach Jahrtausenden der Männerherrschaft noch nicht gelernt haben, die erst vor wenigen Jahrzehnten neu erkämpfte Gleichberechtigung zu leben. Statt in größter Selbstverständlichkeit ihre Verschiedenartigkeit zu genießen und davon zum beiderseitigen Nutzen zu profitieren, bügeln sie diese unter dem Stichwort der Gleichberechtigung in Form von Gleichmacherei glatt.



*S. 47 - 51
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Karin Jäckel

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