Philosophie Magazin -- 04/2015

Umschlagfoto, Philosophie Magazin, 04/2015, InKulturA Du bist was du isst. In Zeiten hyperkritischer Erregung ist unser täglich Brot, ist unsere Ernährung auf den Prüfstand geworfen worden. (Massen)tierhaltung, gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzengut und der immer noch in vielen Teilen der Welt grassierende Hunger haben aus der eigentlich banalen aber lebensnotwendigen Nahrungsaufnahme längst ein Affäre gemacht, die zunehmend kritisch hinterfragt wird.

In der aktuellen Ausgabe des philosophie magazin wird dieses Thema ausgiebig diskutiert. Es ist schon ein merkwürdiger Widerspruch, dass, je mehr unsere Nahrung in Industriebetrieben hergestellt wird, die Zahl der im Fernsehen gezeigten Koch- und Grillshows zunimmt. Jeder Sender der auf sich - und die Quote - hält, hat eine solche im Programm.

Dabei, machen wir uns nichts vor, ist die Mehrheit der "Esser" längst ins Lager der Fastfoodfreunde gewechselt. Zeit- und Geldmangel, aber auch schiere Unkenntnis über die Zubereitung gesunder und gehaltvoller Mahlzeiten bestimmt das Leben in den Industrienationen. Genau das hat sich die lebensmittelproduzierende Industrie zunutze gemacht und die Verbraucher, die diesem Diktat aus Bequemlichkeit nur allzu gern folgen, längst an Lebensmittel gewöhnt, die mit Nachhaltigkeit und Natur nicht mehr viel zu tun haben, sondern die in den Laboren der Großkonzerne designed werden.

Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Wie wir Lebensmittel behandeln und herstellen zeigt unseren Umgang mit uns und der Natur. Dabei sind aktuell die Liebhaber saftiger Steaks ins Fadenkreuz selbst ernannter Umweltaktivisten geraten, die den Omnivoren der menschlichen Spezies tierischen Massenmord vorwerfen. Dabei, der Philosoph Harald Lemke bringt es im Gespräch mit Sarah Wiener auf den Punkt, töten auch Veganer. Essen ist, aus welchem Blickwinkel man es auch betrachtet, eine Angelegenheit, die, so Lemke, uns Menschen nicht aus dem nutritiven Schuldzusammenhang entlässt.

Die Welt als Blase, oder wie es Philipp Felsch und Yael Reuveny formulieren, ein Blick in die mögliche Zukunft des Menschen ist ein weiterer überaus interessanter Artikel des aktuellen Magazins, zeigt er doch, wie stark die Sehnsucht des Menschen ist, sich in einen wie auch immer gestylten Uterus - hier Europas größte Tropenillusion - zu begeben. Wozu Natur, wenn es doch so schöne Indoor-Badeanlagen gibt?

Ein spannender, wenn auch leider zu kurz geratener Beitrag über die Vierlingsschwangerschaft einer 65- jährigen Frau, zeigt, geht es um die Lebensrealität, auch die Philosophie an ihre Grenzen stoßen muss. So ist es eben nicht die Frage der Definition eines ideologischen Naturbegriffs, was unter einem gebärenden Normalfall zu verstehen ist bzw. welches Alter einer Frau die Grenze für einer Kinderwunsch darstellt, sondern eine simple Rechenaufgabe. Bekommt eine Frau mit 65 Jahren noch weitere oder gar zum ersten Mal Kinder, ist diese, wenn der Nachwuchs während der Pubertät seine Eltern besonders dringend braucht, bereits jenseits der Altersgrenze, die die manchmal dann notwendigen harschen pädagogischen Eingriffe zulässt. Ganz provokant gefragt: Können über 80-jährige überhaupt noch verantwortungsvoll erzieherische Maßnahmen durchsetzen?

Der Klassiker ist diesmal, ein kleiner Anklang an Harald Lemke, Dostojewski und das in jedem seiner Romane wiederkehrende Thema der schuldhaften Verstrickung des Individuums. Abgerundet wird auch diese Ausgabe des philosophie magazin durch die Rezension lesenswerter Bücher, wie das von Ralf Konersmann über "Die Unruhe der Welt".





Veröffentlicht am 25. Mai 2015