Buchkritik -- Géza Ottlik -- Die Schule an der Grenze

Umschlagfoto  -- Géza Ottlik  --  Die Schule an der Grenze Der Mikrokosmos einer Internatschule ist ein fokussiertes Abbild der jeweiligen Gesellschaft. Konflikte und Intrigen werden aufgrund der Abgeschlossenheit des Systems vertikal ausgetragen. Géza Ottliks bereits 1959 erschienener Roman Die Schule an der Grenze zeigt die Mechanismen von Herrschaft und die Abläufe von, um es mit einem modernen Begriff zu bezeichnen, gruppendynamischen Prozessen.

Im Jahr 1923 beginnt für ein paar ungarische Jungs die Ausbildung an einer Kadettenanstalt. Bis auf wenige Ausnahmen stammen sie aus wohlhabenden Familien. Die neue Schule bricht sofort mit den bisher gelebten Regeln und dem Geborgensein innerhalb der Familie. Willkür, Hierarchiebewußtsein und brutale Gewalt treten an ihre Stelle.

Ottlik beschreibt aus der Perspektive eines Ich-Erzählers die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen sie von nun an konfrontiert werden. Es findet eine Transformation sämtlicher bisher kennengelernter Verhaltensweisen statt, welche sogar die Art der Kommunikation beeinflusst. Die Sprache reduziert sich auf ein Minimum und findet überwiegend nur noch in Schimpfworten und grunzähnlichen Lauten statt.

Nüchtern, fast unbeteiligt erzählt der Autor von den alltäglichen Grausamkeiten und Exzessen, die nicht nur von höherklassigen Schülern, sondern auch von sadistischen Ausbildern ausgeübt werden. Außenseiter haben es schwer. Sie sind ein besonderes Ziel für die Clique der Mächtigen und werden regelmäßig schikaniert. Dem an dieser Kadettenschule herrschen Druck kann sich niemand widersetzen. Wer es versucht, wird um so gnadenloser gepeinigt. Es herrscht eine Atmosphäre der Angst und des Mißtrauens. Wechselnde Koalitionen sorgen für etwas individuellen Schutz, doch Freundschaft und Zuneigung sind nicht möglich.

Der Leser wird Zeuge einer allmählich um sich greifenden Verrohung, denn den besten Schutz vor Willkür und Gewalt bilden Mitläufertum und absoluter Gehorsam. Bestrafungen werden schweigend erduldet und die angesammelte Frustration bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit an einem schwächeren Schulkameraden ausgelassen. Auf diese Weise entwickelt sich ein permanentes, aber diffuses Gefühl der Angst dem sich niemand entziehen kann.

Géza Ottlik hat ein beklemmendes Panorama über Herrschaft und Feigheit, über Lüge und Verrat beschrieben.




Meine Bewertung:Bewertung