Buchkritik -- Botho Strauss -- Nicht mehr. Mehr nicht

Umschlagfoto, Buchkritik, Botho Strauss, Nicht mehr. Mehr nicht, InKulturA Auf dem Lieblingssessel Platz nehmen, die Welt draußen ausblenden und sich den Sprachrhythmen von Botho Strauss hingeben. „Nicht mehr, mehr nicht“, kein Roman, kein Schauspiel, sondern Introspektionen einer von ihrem Liebhaber verlassenen Frau.

Gertrud Vormweg, Dichterin, ergeht sich in Monologen, mystifizierend, und ihre von Schmerz getränkten Erinnerung in Gestalt der karthagische Königin Dido, die große Verlassene der Weltliteratur, der ebenfalls der Geliebte abhandengekommen ist, in die Welt schreibend.

Eher Aphorismensammlung und mit von Strauss gewohnter präziser Sprachkunst deklariert, ist der Nicht-Roman ein Stück zelebriertes Selbstgespräch, das um Verlassenwerden, Auflehnung dagegen und Verzweiflung kreist. Gewiss keine leichte Lektüre über die schnell ausgesprochenen und gelebten Trennungen in unseren ach so modernen Zeiten.

Der, so die Dichterin, ohne Angaben von Gründen entschwundene Geliebte taucht in der Rückschau mal als umsichtig und liebevoll, mal als egoistisch auf und bleibt doch, bis auf den sporadisch aufbrechenden Zorn der ehemaligen Geliebten, ohne Konturen. Ist er deshalb austauschbar? Eher nicht, denn die Verlassene und ihr Liebesschmerz angesichts des Verlustes transzendieren die einseitig aufgekündigte Beziehung zu einem Sinnbild neuzeitlicher Entfremdung, die, so interpretiere ich es, auf eine am Horizont auftauchende unausweichliche Finalität hinweist.

„Da wir nun Nachzügler sind, Nachzügler des vom Menschen begriffenen Menschen, vielleicht auch der Sprache, der Liebe, der Arbeit, wie nur der Mensch sie verstand, bleibt von uns kaum mehr als das Bild, das die Geräte überliefern werden. Nirgends ein Gleichnis.“

Vielleicht werden diese Epigonen nur noch eines zelebrieren können, ihre sprachlose Einsamkeit. Wohl dem, der sich dann noch an die Mythen einer besseren Vergangenheit erinnern kann.




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Veröffentlicht am 27. Februar 2022