Buchkritik -- Peter Miller -- Die Intelligenz des Schwarms

Umschlagfoto  -- Peter Miller  --  Die Intelligenz des Schwarms Es ist eine beliebte populärwissenschaftliche Methode das Verhalten von Tieren in Bezug auf eine mögliche Relevanz für menschliche Reaktionsmuster zu untersuchen. Die Liste ist lang: Sozialverhalten von Primaten, Gruppendynamik bei Delphinen, Familieninstinkte in Elefantenherden und Ähnliches. Der Wissenschaftsjournalist Peter Miller beschäftigt sich in seinem Buch Die Intelligenz des Schwarms mit den Formen der kollektiven Reaktionen von Tierschwärmen. Ameisen, Bienen, Termiten aber auch Stare sind seine Beispiele.

Der volltönende Untertitel seines Buches Was wir von Tieren für unser Leben in einer komplexen Welt lernen können führt den Leser etwas in die Irre, denn hauptsächlich konzentriert sich der Autor auf die, zweifelsohne spannenden Ursachen von rhythmisch-synchronen Schwarmbewegungen dieser Tiere. Es ist ohne Frage eine interessante Lektüre über das Verhalten von Tieren, die, wie im Fall von Ameisen, Bienen und Termiten eine Entwicklung von mehreren Millionen Jahren hinter sich haben. Deren Verhalten hat zweifellos etwas Faszinierendes und deren Kommunikationsformen beeindrucken nicht nur Forscher. Jedoch stellt sich der Leser des Öfteren die Frage, ob das alles wirklich Einfluss, bzw. Nachahmungscharakter für den Menschen beinhalten soll.

Miller führt zum Beweis seiner Theorie leider nur wenige Beispiele an, mithilfe deren er zeigen will, wie wichtig es wäre, wenn der Mensch sich ein Beispiel am (Schwarm)verhalten von Tieren nehmen würde. Peter Miller schildert z. B. den Fall vom Flugzeughersteller Boeing, dessen Kommunikationsformen bis vor wenigen Jahren dermaßen chaotisch waren, dass man sich fragen musste, warum es ihnen gelungen ist, überhaupt Flugzeuge in die Luft zu bekommen. Das ist inzwischen durch veränderte interne Strukturen geändert worden. Was Peter Miller hier als Beispiel eines intelligenten Schwarms beschreibt, war in Wirklichkeit die Reaktion auf die Konkurrenz des europäischen Airbuskonsortiums und damit wohl eher betriebswirtschaftlichen Fakten geschuldet, als der Imitation des Schwarmverhaltens von Insekten.

Ein weiteres Beispiel für die vermeintliche Intelligenz eines Schwarms will er anhand des großen Stromausfalls in den USA im Jahr 2003 zeigen. Damals hatten die Zweige eines Baums die überlandführenden Stromleitungen berührt und zu einer fatalen Kettenreaktion geführt, die große Teile der USA lahmlegten. Wer jedoch das marode Stromversorgungssystem der Vereinigten Staaten kennt, der wundert sich, dass dies nicht bereits früher passiert ist. Wenn Gewinnmaximierung vor Substanzpflege steht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Systeme zusammenbrechen. Es wäre notwendig gewesen und damit hat Miller allerdings recht, wenn sich die Verantwortlichen rechtzeitig um die Wartung und Verbesserung der Stromversorgungseinrichtungen gekümmert hätten. Für eine vermeintliche Überlegenheit tierischer Schwarmintelligenz ist das allerdings kein Beweis.

Wer sich für das, bislang noch unerforschte Verhalten von Tierschwärmen interessiert, erhält mit diesem Buch eine kleine Einführung. Wer sich allerdings davon überzeugen lassen möchte, wie der Mensch seine Kommunikationsformen und seine Entscheidungen durch eine Adaption tierischen Verhaltens verbessern kann, der wird enttäuscht. Das Buch ist durchaus flott geschrieben, seinem Untertitel kann es jedoch niemals gerecht werden.

Das moderne Leben ist ohne Zweifel von großer Komplexität und des Öfteren stehen wir vor großen, unlösbar scheinenden Problemen. Die Antworten finden wir in unseren eigenen intellektuellen und schöpferischen Kräften. Von der Natur lernen, wie man z. B. die Selbstheilungskräfte des Körpers stimuliert oder aus natürlichen Wirkstoffen nebenwirkungsfreie Medikamente herstellt, ist eine Sache. Aus Verzweiflung oder Kapitulation vor menschlich, allzu menschlichen Schwächen jedoch mal fragen, was Ameise und Biene dazu sagen, ist der falsche Weg. Die Intelligenz des Schwarms von Peter Miller hilft da auch nicht weiter.




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