Buchkritik -- Ian McEwan -- Honig

Umschlagfoto, Ian McEwan, Honig, InKulturA Sex hilft immer, besonders in den dunklen Kreisen der Geheimdienste. Honigfalle nannte man seinerzeit die Anwerbeversuche östlicher Romeos in Diensten der Staatssicherheit gegenüber einsamen Sekretärinnen deutscher Politiker, die, mit Hilfe heißer Liebesschwüre und sexueller Kunststücke seitens der Verführer im Dienst des Arbeiter- und Bauernstaates zur Spionagetätigkeit für dem real existierenden Sozialismus angeworben wurden.

"Honig", so der Titel des neuen Romans von Ian McEwan, spielt im Großbritanien der siebziger Jahre. Der Kalte Krieg tobt hinter den Kulissen und England befindet sich in einer politischen Krise. Serena, eine junge Frau, deren sehnlichster Wunsch es ist, einen netten Mann zu finden, erhält durch die Fürsprache ihres älteren Geliebten eine Stelle beim MI5, dem britischen Inlandsgeheimdienst.

Dort macht man sich ihre literarischen Kenntnisse zu Nutze und gibt ihr den Auftrag, einen Schriftsteller zur Mitarbeit bei einer Organisation zu bewegen, die sich mit kultureller Subversion beschäftigt. Sowohl die UdSSR als auch die USA und Großbritannien bezahlten während des Kalten Kriegs Künstler und Schriftsteller dafür, die Vorteile des eigenen Systems hervorzuheben und die Nachteile des anderen zu kritisieren. Ian McEwan befindet sich mit seinem Roman also in bester britischer Geheimdienstgesellschaft.

Es kommt, wie es kommen musste. Serena und ihre Zielperson, der junge Schriftsteller Tom Haley, verlieben sich. Während sie ihren Auftrag erfüllt, ahnt sie bereits, in welche emotionalen Schwierigkeiten sie die Angelegenheit bringen wird. Doch, ganz die pflichtbewusste britische Staatsbürgerin, nimmt sie ihre Aufgabe sehr ernst, sieht sie doch endlich einen vermeintlich tieferen Sinn in ihrem Leben.

Ian McEwan erzählt sie Geschichte dieser Frau aus der Perspektive der inzwischen 40jährigen. Er liefert damit auch ein Gesellschaftsportrait Englands, ausgehend von den 60er Jahren. Es ist die Zeit, als die Gewerkschaften noch dazu in der Lage waren, ein ganzes Land in Geiselhaft für ihre Forderungen zu nehmen. Die IRA verübte zahlreiche Anschläge und die Energiekrise taucht am politischen Horizont auf. Es war aber für Serena auch eine glückliche Kinder- und Jugendzeit im Kreis ihrer Familie.

Serena ist das Abbild der damaligen Frauengeneration, die sich in erster Linie durch den Ehemann definierten. Nicht umsonst sind sie und ihre Kolleginnen immer auf der Suche nach dem passenden Ehepartner. Serena ist jedoch auch naiv und glaubt an die Bedeutung ihres Auftrags, dabei ist sie nur ein Spielball für die natürlich männlich dominierten Gheimdienstkreise.

McEwan schreibt mit typisch britischer Nonchalance über die politische Situation der damaligen Zeit und über das Lebensgefühl einer Generation, die es noch nicht gelernt hat, gegenüber der Politik Misstrauen walten zu lassen.

Wer allerdings glaubt, sich das Ende der Geschichte bereits nach wenigen Seiten ausmalen zu können, für den hält McEwan zum Schluss eine große Überraschung bereit.




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Veröffentlicht am 5. Dezember 2013