Buchkritik -- Elisabeth Ligensa -- Verschüttet

Umschlagfoto, Buchkritik, Elisabeth Ligensa, Verschüttet, InKulturA Sie laufen an uns vorbei und wir können, ja wir wollen nicht von all ihren jeweiligen Geschichten, ihren Lebenswegen, ihren Verirrungen und Nöten wissen, weil wir in der Regel genug damit zu tun haben, unser eigenes Leben mehr oder weniger in den Griff zu bekommen. Dabei erweisen sich die anderen oft genug als Störfall, denn nichts ist uns wichtiger als die eigene Befindlichkeit.

Einsamkeit, die wirkmächtigste Triebfeder menschlichen Handelns, ist eine Tatsache, der kein Individuum entkommen kann. Sie treibt Menschen dazu, Dinge zu tun, Handlungen zu begehen, ja sogar Religionen und Ideologien zu entwerfen, mit dem Ziel, die jeweils eigene und immer schmerzhaft empfundene totale Einsamkeit zu überwinden – mit den bekannten Folgen.

Elisabeth Ligensa hat in achtzehn kleinen Episoden den alltäglichen Wahnsinn, das Resultat der individuellen Verdrängung erlebter Einsamkeit, beschrieben. „Verschüttet“, so der Titel ihrer literarischen Reise durch die dunklen Seiten menschlicher Existenz, ist mit 137 Seiten ein kleines Büchlein, das es nichtsdestotrotz in sich hat.

Es sind Geschichten von Menschen, die ihren Weg, ihre Zuversicht und die Neugier auf das, was noch kommen könnte längst, manche sogar bereits früh im Leben, verloren haben. Eingemauert in einen Kokon aus Weltbeschränkung und Lebensangst, aber auch durch den dem Alter geschuldeten Verlust geliebter Menschen, entziehen sie sich, von ihnen selber unbemerkt, nichtsdestoweniger als Getriebene, sukzessive dem Leben und konstruieren Welten, die ausschließlich in den eigenen Köpfen existieren.

Was für die Leserinnen und Leser manchmal vordergründig als Komik erscheinen mag, entpuppt sich beim Weiterlesen als Tragödie eines Lebens, das im Prinzip nicht anders kann, als so zu sein, wie es ist. Die Autorin entwirft mit literarisch leichter Hand Schicksale, die fassungslos machen, das Lesepublikum stumm zurücklassen und letzteres förmlich dazu zwingen, sich Rechenschaft bezüglich der eigenen Konstruktion der Realität zu geben.

Die Wirklichkeit, das zeigen die von Elisabeth Ligensa intelligent entworfenen Geschichten, ist eine Sache der Interpretation und Normalität eine Frage der eigenen Perspektive.




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Veröffentlicht am 8. September 2019