Buchkritik -- Jürgen Kaizik -- Liber Gott

Umschlagfoto, Buchkritik, Jürgen Kaizik, Liber Gott, InKulturA Es ist eine Ironie der Geschichte. Über den islamischen Terror, treffender ausgedrückt, über den Terror im Namen des "einzig wahren Glaubens" bringt sich das Religiöse wieder den Fokus der Aufmerksamkeit. Das trifft die säkularisierte westliche Welt gänzlich unvorbereitet, denn Begriffe wie Gott, Glauben und Religion waren aus dem Wortschatz, vielmehr noch aus der Vorstellungswelt neoliberalen Denkens nahezu verschwunden. Plötzlich ist sie wieder da, die Frage nach dem Wesen Gottes. Konfrontiert mit der Frage, wessen Gott der richtige ist, brechen längst zugeschüttet geglaubte Gräben wieder auf und die drei großen Schriftreligionen befinden sich auf einmal wieder im Kriegszustand.

Dabei, das beweist die Geschichte, führt die Frage nach dem Gott der Juden, der Christen und der Moslems direkt in eine Konfrontation, die aktuell an Schärfe zunimmt und die gesellschaftliche und politische Ordnung wieder einmal zu belasten droht. Das zu verhindern, könnte, würde er von den neuen alten Kombattanten denn aufmerksam gelesen werden, ein kleiner aber brisanter Text aus historisch unbestimmter Zeit leisten. Das "Buch der 24 Philosophen" bricht radikal mit der Personifizierung Gottes und setzt anstelle dessen eine Kosmologie, die das Numinose, das Denken des Unendlichen wagt und damit Gott als ein universelles Prinzip versteht.

Jürgen Kaizik benutzt die 24 Definitionen als Drehbuch für ein spirituelles Roadmovie, das um die Frage kreist, was wir angesichts des Scheiterns von Religionen von Gott retten können. Jenny, eine moderne junge Frau, natürlich Nihilistin, entdeckt auf dem Schreibtisch ihres Vaters ein kleines Büchlein mit dem Titel "Was ist Gott?", mit dem sie vorerst nichts anzufangen weiß. Erst eine Vorlesungsreihe an der Universität zu Jena mit dem Thema "Mehr als alles. Im Schatten Gottes" durch das derzeitige Enfant terrible der Philosophieszene bringt sie erneut in Kontakt mit dem alten Text.

Judas, so der Nom de guerre des umstrittenen Außenseiters, stört den reibungslosen Betrieb der alltäglichen Plattitüden und wird von seinen Kritikern und Gegnern in so unterschiedlichen Positionen wie die eines Kommunisten oder gar Verteidigers des Dschihad verortet. Ausgerechnet dieser offensichtliche Agnostiker will jetzt über das "Buch der 24 Philosophen" sprechen.

Judas ist trotz seines unscheinbaren Äußeren ein gefährlicher Mann, denn er demaskiert Lügen, die im Namen Gottes ausgesprochen werden. Noch jede Berufung auf Gott als Begründung politischer Ziele oder als Legitimation eines gesellschaftlichen Zustands ist ausschließlich eine Instrumentalisierung durch am Machterhalt interessierte Kreise und somit ein Missbrauch. Als er von islamischen Terroristen entführt wird, bestätigt sich einmal mehr sein vernichtendes Urteil über den Missbrauch Gottes durch die Menschen.

"Liber Gott" von Jürgen Kaizik transferiert den alten Text in unsere Zeit und zeigt damit, wie problematisch, wie desavouiert unser Verhältnis zur Religion ist. Wenn Nietzsche sagt, Gott ist tot, dann ist das nur die halbe Wahrheit, denn noch jede Glaubensrichtung hat Gott auf ihre eigene Weise verraten. Alle blutigen Auseinandersetzungen "im Namen des Herren" zeigen das. Vielleicht, Jürgen Kaizik spricht es kurz an, sollte uns der Gott der Physiker näher sein, als der der heiligen Bücher.

Der Gott der 24 Philosophen ist aus gutem Grund namenlos, denn das Wort Gott erfuhr im Lauf der menschlichen Geschichte viele Pervertierungen. Gott als kosmisches Prinzip dagegen, erfordert eine radikale Umkehr des Denkens, zu der wohl nur wenige bereit wären.




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Veröffentlicht am 19. März 2017