Buchkritik -- Heribert Schwan/Tilman Jens -- Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle

Umschlagfoto, Heribert Schwan/Tilman Jens, Die Kohl-Protokolle, InKulturA Jeder, der auch nur etwas Kenntnis vom politischen Betrieb hat und dessen Naivität das normale Maß nicht übersteigt, weiß, dass Politiker mindestens zwei Gesichter haben. Eines lächelt in die Fernsehkameras und gibt Reportern mit lächelnder Miene Antworten auf deren oft vorher vom Pressestab des Politikers abgesegnete Fragen. Sind die Kameras und Mikrofone offline, dann verschwindet das Lächeln und die vordergründig verbreitete gute Laune verschwindet und nicht selten kommt das andere Gesicht des Volksvertreters zum Vorschein.

Ist die politische Laufbahn beendet, endet auch die Zeit der demonstrierten diplomatisch-politischen Höflichkeit und so manche ehemalige Politgröße zieht unplugged vom Leder und den Verlagen bietet sich eine gute Gelegenheit, Geld mit vermeintlichen Insiderinformationen aus dem politische Betrieb zu verdienen,

Keine Ausnahme macht da das von Heribert Schwan und Tilman Jens veröffentlichte "Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle", das die aus über 600 Interviewstunden extrahierten Erinnerungen des Altbundeskanzlers Dr. Helmut Kohl einem breiten Publikum vorlegt. Dieses gegen den Willen Kohls und seiner zweiten Ehefrau Maike Kohl-Richter auf den Markt geworfene Buch steht dann auch eher stellvertretend für den Frust des Autors und Ex-Ghostwriter Schwan, der sich aufgrund der Interventionen von Maike Kohl-Richter wohl um sein Lebenswerk, genauer gesagt, den vierten Band der Memoiren des Ex-Bundeskanzlers, betrogen sah.

Was nun erfährt der Leser so Wichtiges, dass es der Veröffentlichung, und der juristischen Rangelei darum, für wert befunden wurde? Helmut Kohl, der "Kanzler der Einheit", rechnet mit seinen ehemaligen politischen Freunden und Feinden ab. Dabei kommt wenig Schmeichelhaftes heraus, jedoch leider auch keine neuen Erkenntnisse über die Ereignisse der neueren politischen Geschichte. Wer sich Informationen über die Mechanismen der Politik erhofft, insbesondere über die Preisgabe deutscher Interessen anlässlich der Wiedervereinigung, die mit der Übernahme des Euro als Währung und der Abgabe nationaler Souveränität an Brüsseler Ochlokraten ein unwürdiges Ende fand, der wird enttäuscht.

Das "System Kohl" und dessen Einteilung in Freund und Feind ist so neu nicht und dürfte wohl von jedem Politiker ähnlich gehandhabt werden. Dass hinter der Maske des Machtmenschen Kohl auch ein Individuum mit Emotionen steckte, wer hätte das wohl ohne dieses Buch gedacht?

"Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" ist wohl in erster Linie als Reaktion eines sich durch die Intervention von Maike Kohl-Richter in seiner Ehre gekränkt fühlenden Ghostwriters zu verstehen.

Auch ohne diese Buch ist Helmut Kohl als Rechtsbrecher - Spendenaffäre - und Totengräber Deutschlands - Euro und Brüssel - in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen. Das allein ist das wahre Vermächtnis Helmut Kohls. Die missglückte Wiedervereinigung - blühende Landschaften! - Deutschlands war da noch das kleinere Übel.

"Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" sollte besser den Titel "Die Rache eines gekränkten Journalisten" tragen. Die knapp 20 Euro, die der interessierte Leser dafür berappen muss, sind jedenfalls verschwendetes Geld.




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Veröffentlicht am 10: Oktober 2014