Buchkritik -- Karin Kneissl -- Mein Naher Osten

Umschlagfoto, Karin Kneissl, Mein Naher Osten, InKulturA Wer, wie Karin Kneissl viele Jahre im Nahen Osten verbracht hat - Amman, Beirut und Jerusalem waren nur einige ihrer Stationen - dessen Stimme hat Gewicht und die Aussagen und Beurteilungen der historischen Fakten und der aktuellen politischen Lage dieser zunehmend instabilen Region sollten von allen Verantwortlichen zur Kenntnis genommen werden.

"Mein Naher Osten" ist sowohl Rück- als auch Ausblick auf die für den Außenstehenden mehr als verwirrende Situation in einer Region, von der die Industrienationen - d. h. in diesem Fall der Westen - durch die Förderung fossiler Brennstoffe auf Gedeih und Verderb abhängig sind und die doch gleichzeitig durch die mächtige Renaissance des Islam herausgefordert werden.

Karin Kneissl kennt den Nahen Osten aus eigener Erfahrung. Viele Jahre ihres Lebens verbrachte sie in dessen Ländern. Ob Gespräche mit iranischen Revolutionsführern, enge Kontakte zu Politikern dieser Region oder das Erleben des Arabischen Frühlings direkt vor Ort am Tahrir-Platz, der sonst so schwammige Begriff "Nahost-Experte" erhält durch die Kompetenz der Autorin, sei es durch persönliche Erlebnisse oder ihren Mut zur eigenen Meinung, eine neue Bedeutung die, Karin Kneissl kann und will es nicht verhehlen, mit den üblichen Verdächtigen bzw. den selbst ernannten Nahost-Experten hart ins Gericht geht.

Diplomaten, die selten oder gar nicht ihre Botschaften in dieser Region verlassen oder Korrespondenten, die noch nicht einmal die jeweilige Landessprache beherrschen, prägen das Bild, dass die Menschen im Westen vom Nahen Osten haben. Auch die sich in den dortigen Staaten tummelnden NGO´s kommen in der Beurteilung Kneissls nicht gerade gut weg. Dass also die offizielle Berichterstattung, geschuldet dem mangelnden Wissen oder gar völliger Inkompetenz, oftmals ein vollkommen falsches oder zumindest stark verzerrtes Bild der Lage liefert, ist evident.

Besonderes Gewicht erhalten die Aussagen und Beurteilungen Karin Kneissls durch die Tatsache, dass sie keine Vertreterin bestimmter Interessengruppen - seien es wirtschaftliche oder politische - ist, sondern sich den heute politisch und medial leider selten gewordenen Luxus einer unabhängigen Meinung leistet, was sich letztlich dem Leser gegenüber bei seiner eigenen Standortbestimmung als hilfreich erweist.

"Mein Naher Osten" von Karin Kneissl ist, im Gegensatz zu ähnlichen Büchern keine Sammlung von Textbausteinen aus den Redaktionen und Presseabteilungen interessierter Kreise, sondern die profunde Schilderung heutiger politischer Differenzen, die ihren Ausgang nicht zuletzt dem Einfluss westlicher Großmächte zu verdanken haben.

Der Nahe Osten ist sogar für den überdurchschnittlich gut informierten Bürger der westlichen Welt ein schier undurchschaubares Knäuel von zum Teil widerstrebenden Absichten, wirtschaftlichen Interessen und politisch-religiösen Motiven. Das Buch von Karin Kneissl leistet einen äußerst hilfreichen Dienst zum Verständnis der aktuellen Situation.

Der interessierte Leser wünscht sich sicher mehr Bücher, die, wie das dieser Autorin, vorurteilsfrei und kompetent über die politisch und religiös instabile Region des Nahen Ostens informieren.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 18: Mai 2014