Buchkritik -- Karin Kneissl -- Die Mobilitätswende

Umschlagfoto, Buchkritik, Karin Kneissl, Die Mobilitätswende, InKulturA Gut zwanzig Jahre nach der politischen Wende, die fröhlich-naiv den Sieg des liberalen Wirtschaftssystems, vulgo Kapitalismus, als Beginn eines goldenen Zeitalters des Friedens und der globalen ökonomischen Prosperität feierte, erleben wir jetzt mit Erstaunen eine Inflation von „Wenden“, die sich daranmachen, politische und wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche und ökologische Prämissen infrage zu stellen.

Die Energiewende, mit dem, zumindest von deutscher Politik forcierten Ausstieg aus der Atomkraft und der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen, zusammen mit der Ökologiewende sind die Wegbereiter einer Mobilitätswende, die wohl über kurz oder lang das Ende des Verbrennungsmotors bedeutet.

Dazu kommt der Klimawandel, der, ob anthropogen oder nicht, für Migrationsströme bislang ungeahnten Ausmaßes sorgen wird. Zusätzlich hat der Ausbruch von Covid-19 für die Unterbrechung globaler Lieferketten gesorgt, Fabriken stillstehen lassen und den Ausblick auf ein mögliches Szenario der finalen „Wende“ unserer Vorstellungen von Mobilität geliefert.

Doch diese Mobilitätswende wird, wie es Karin Kneissl in ihrem fundiert recherchierten Buch beschreibt, dramatische Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben, über die sich die derzeit eher monothematisch agierenden Verantwortlichen anscheinend noch keine Gedanken machen.

Erdöl, das schwarze Gold, hat erst das ermöglicht, was wir heute als Mobilitätsgesellschaft bezeichnen. Wirtschaftlicher Aufschwung wäre ohne diesen fossilen Brennstoff nicht in dem Rahmen denkbar gewesen, wie wir ihn historisch kennengelernt haben und von dem wir uns, so wie es aussieht, auf Dauer verabschieden müssen.

Das Coronavirus und seine globalen Auswirkungen werden fälschlicherweise für die derzeitige Rezession verantwortlich gemacht, doch, auch das zeigt die Autorin, ist zu kurz gedacht, denn schon lange vorher befanden sich, nach der Abwanderung anderer Industrien, die europäischen Automobilhersteller in einer Krise, denn einerseits hatten sie aufgrund politisch betriebener Verunsicherungen (Dieselfahrverbote, drohendes Verbot für Verbrennungsmotoren) und andererseits durch die groß angelegten Manipulationen einiger Hersteller bezüglich der Abgasnormen mit Absatzproblemen zu kämpfen.

Schon längst sind Produktionsstätten auch nach Afrika verlegt worden und sollten die wirren, treffender ausgedrückt irren Pläne der EU-Bürokraten Realität werden, die im Rahmen europäischer Klimaneutralität bis 2050 den Verbrennungsmotor verbieten wollen, dann stehen, wie die Autorin es richtig darstellt, nicht nur in Europa fast acht Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Kommt die radikale Mobilitätswende, die sich inzwischen nicht nur ökologische Parteien auf ihre Fahnen geheftet haben, dann droht ein globaler Dominoeffekt, der durch den Wegfall von Produktionsstätten und Arbeitsplätzen für dramatische gesellschaftliche Verwerfungen sorgen wird. Erdöl produzierende Länder, deren Staatshaushalte durch das Ausbleiben dieser Einnahmen empfindlich gestört werden, dürften sich sozialen Auseinandersetzungen entgegensehen, die auch vor den Grenzen der bislang fossile Brennstoffe verbrauchenden Industrienationen nicht halt machen werden.

Aus der Diskussion über den angeblich vom Menschen verursachten Klimawandel hat sich, wie Karin Kneissl es ausdrückt, ein Glaubenskrieg entwickelt, der ideologisch und politisch angefeuert, längst die Sphäre sachlicher Auseinandersetzung verlassen hat und bereits religiöse Dimensionen angenommen hat. Doch ob der neue Götze Elektromobilität die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft darstellt, darf, zieht man die Gesamtbilanz von ökologischen und ökonomischen Herstellungskosten, bezweifelt werden.

Wir wären gut beraten, die derzeitige aufgeregte Kakophonie der Meinungen durch eine sachliche Auseinandersetzung, die weniger Bauchgefühl, sondern fundiertes Wissen um die globalen Zusammenhänge zwischen Politik, Gesellschaft und Mobilität in den Mittelpunkt stellt, zu ersetzen. Bei dem derzeit agierenden politischen und ökonomischen Personal allerdings eher Desiderat, als eine reale Option.

Eines sollte den Verantwortlichen allerdings klar sein: Wenn, und alle derzeitigen politischen Signale weisen in diese Richtung, Strom das neue Öl wird, dann werden Staat, Gesellschaft und Ökonomie weitaus störanfälliger, soll heißen, angreifbarer sein. Gegen gezielte Hackerangriffe auf die Infrastruktur „Erneuerbare Energien“ dürften „Militärübungen“ in der Straße von Hormus ein Klacks gewesen sein.

Karin Kneissl bringt in ihrem Buch die Probleme einer zu schnellen, politisch-ideologisch forcierten Mobilitätswende auf den Punkt. Deren Befürworter täten gut daran, einen Blick hineinzuwagen.




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Veröffentlicht am 8. Oktober 2020