Buchkritik -- Joseph Nye -- Macht im 21. Jahrhundert

Umschlagfoto  -- Joseph Nye  --  Macht im 21. Jahrhundert, InKulturA Wenn alter Wein in neue Fässer umgefüllt wird, dann geschieht das in der Regel mit einer geschickten Inszenierung und viel medialem Tamtam. Das ist bei alten Ideen, die in neue Worte verpackt und als "wegweisende" und "bahnbrechende" Gedanken verkauft werden, nicht anders. Joseph Nye beschäftigt sich in seinem Buch "Macht im 21. Jahrhundert" mit der Frage, wie die Politik auf die Herausforderungen einer globalisierten Welt reagieren kann.

Die Fragestellung ist nicht neu und ebenso wenig die Erkenntnisse des US-amerikanischen Politologen und Politikers, der u. a. 1993 und 1994 Vorsitzender des National Intelligence Council und von 1994 bis 1995 stellvertretender US-Verteidigungsminister war, dass politische Macht nicht mehr allein in militärischer Stärke und wirtschaftlichem Einfluss besteht, sondern sich verstärkt durch eine Vielzahl verschiedener Faktoren und Maßnahmen auszeichnet, für die Nye den Begriff "Smart Power" - "Intelligente Macht" - benutzt.

Neben einer etwas halbherzigen Abrechnung mit der Regierung Bush, die immerhin für zwei Kriege verantwortliche war, ist das Buch in erster Linie eine Eloge auf die, zumindest für das amerikanische politische Denken, neue Linie, die der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, vertritt und die für politisches Denken in Europa längst Allgemeingut geworden ist.

Über zwanzig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges droht den USA der Verlust ihres bisherigen Führungsanspruchs. Mit den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben wirtschaftlich aufstrebende Staaten die politische Bühne betreten. NGOs - nichtstaatliche Organisationen - und die rasanten Fortschritte der digitalen Entwicklung haben die alten Mechanismen politischer und wirtschaftlicher Machtausübung zerstört und neue politische Paradigmen aufgestellt.

Die Erkenntnis ist nun bei Weitem keine neue und es überrascht allenfalls die Tatsache, dass Joseph Nye, immerhin profilierten Kenner der US-amerikanischen Politik, diese Veränderungen erst jetzt, nach der von den USA ausgehenden Finanzkrise, bemerkt. Genau hier liegt dann wohl auch das eigentliche Ziel seines Buches. Es gilt, so der Autor, sich den neuen Bedingungen und Herausforderungen der globalen Entwicklung anzupassen, wenn die USA ihren globalen Einfluss weiterhin geltend machen wollen.

Als Beispiel führt Nye den weltweiten politischen Erfolg Chinas an, der in erster Linie einer geschickten Außenpolitik geschuldet ist. Als Gegenbeispiel dient dem Autor der abnehmende Einfluss Russlands, dessen aggressive und sich an längst vergangener Größe orientierende Machtentfaltung bei vielen Nationen auf Ablehnung stößt. Die Welt ist ohne Zweifel multipolar geworden und wer bei dem Konzert der Mächte mitspielen will, der muss sich an neue Spielregeln halten.

Zukunftsprognosen sind leicht aufzustellen, ihre Voraussagen jedoch nicht immer zutreffend. So muss man auch die Erwartungen des Autors bezüglich der Positionierung der USA in einer zunehmend multipolar werdenden Welt mit großer Skepsis betrachten. Dessen Buch "Macht im 21. Jahrhundert" ist dann auch eher der Versuch, die neue Außenpolitik von Barack Obama zu erklären. Was für die "Alte Welt" längst gilt und was deren Politiker - nicht immer mit Erfolg - praktizieren, ist für das politische Denken der USA freilich Neuland. Nationale Alleingänge sind wohl ein Auslaufmodell, das sieht auch Joseph Nye und führt als (fragwürdiges) Beispiel die gemeinsame Aktion der NATO in Libyen an, deren Ziel der Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi war.

Abgesehen von wenigen Bemerkungen zu Europa und etwas mehr Aussagen zu der potentiellen Konkurrenz Amerikas durch die BRICS-Staaten ist das Buch von Joseph Nye eher eine amerikanische Angelegenheit, denn es geht dem Autor in erster Linie darum, wie die US-amerikanische Politik auch weiterhin dafür Sorge tragen kann, dass sie in einem multilateral angelegten Konzert der Nationen weiterhin den Taktstock führen kann. Internationale Absprachen und gemeinsame Aktionen werden militärische Alleingänge ablösen.

So weit die gute Nachricht. Leider geht Joseph Nye mit keinem Wort auf die in der Zukunft zu erwartenden Verteilungskämpfe angesichts schwindender Ressourcen ein. Öl, Wasser und Nahrungsmittel werden die kommenden Schauplätze realpolitischer Auseinandersetzungen sein. Darüber, ob diese dann nicht wieder durch nationale Alleingänge geführt werden, kann nur spekuliert werden.

Seine Erkenntnisse sind zwar nicht neu, trotzdem ist das Buch "Macht im 21. Jahrhundert" von Joseph Nye eine interessante Standortbestimmung US-amerikanischer Politik unter Barack Obama.




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