Buchkritik -- Steven Johnson -- Wo gute Ideen herkommen

Umschlagfoto, Steven Johnson, Wo gute Ideen herkommen, InKulturA Der Mensch denkt gern in Symbolen und Bildern. Das vereinfacht ohne Zweifel die Bewältigung des Alltäglichen, führt jedoch auch zu bedauerlichen Verkürzungen und Falschinterpretationen. Eines dieser Bilder betrifft die tradierten Vorstellungen vom genialen, aber einsamen Wissenschaftler, der, ausschließlich auf seinen Intellekt bezogen, sich daranmacht, Neues zu entdecken. Ist diese Vorstellung im Zeitalter der globalen Wissensvernetzung noch haltbar oder entsprach die Vorstellung vom genialen-einsamen Forschers etwa noch nie den Tatsachen?

Steven Johnson hat sich in seinem Buch "Wo gute Ideen herkommen" mit diesem Mythos beschäftigt und, so muss man konstatieren, ihn brillant widerlegt. Innovationen und wissenschaftlicher Fortschritt beruhen auf vielen Voraussetzungen. Jedes Individuum ist eingebunden in ein Netzwerk aus Tradition, Information, Wissen und Vorstellungen. Das gilt im besonderen Maß für Wissenschaftler. Keine Idee steht in einem geistigen Vakuum, sondern beruht aus der Leistung und dem Wissen der Vorangegangenen.

Der Autor entzaubert den so gern verwendeten Heureka-Moment als den logischen Schritt des jeweils "Nächstmöglichen". Ideen, die vor langer Zeit aufgegriffen wurden, Gedanken und Interaktionen, die, jeweils immer im Kontext des Machbaren, kreieren Neues. Die, Johnson nennt es "langsame Ahnung", Wechselwirkung zwischen Idee und Notwendigkeit ist ein manchmal jahrelang dauernder Prozess, an dessen Ende eine Innovation steht.

Steven Johnson vermeidet den inzwischen bis zur Unkenntlichkeit abgenutzten Begriff "Kreativität" und setzt anstelle dessen sieben "Muster", die sowohl Inspirationen, als auch Innovationen fördern. Eines davon ist die Serendipität, etwas, was nicht Gegenstand der Suche war, sich trotzdem jedoch als neue Entdeckung erwies. Die Entdeckung Amerikas, des Penicillin und der Röntgenstrahlen sind nur einige Beispiele dafür.

Auch der Irrtum, ebenfalls eines der "Muster" Johnsons, ist aus der Geschichte der wissenschaftlichen Erfolge nicht wegzudenken. Wir haben die Tendenz, Irrtümer zu negieren, sie auszuklammern oder gar peinlich von ihnen berührt zu sein. Nichts könnte falscher sein, so zumindest Johnson. Der Irrtum spielt in Bezug auf technische und wissenschaftliche Innovationen eine bedeutende Rolle. Bei nicht erwarteten Forschungsergebnissen, bei Abweichungen vom erhofften Ausgang eines Experiments wird oft vorschnell ein Irrtum der Beteiligten vermutet, doch, wie im Fall der Entwicklung des Herzschrittmachers, führte ein vermeintlicher Irrtum zum Erfolg.

"Wo gute Ideen herkommen" von Steven Johnson ist einmal ein ganz anderer Blick auf die Geschichte der Wissenschaft, aber auch, wie der Autor es selber ausdrückt, ein Buch "... von der schöpferischen Kraft langsamer Ahnungen."




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