Buchkritik -- Dan Brown -- Inferno

Umschlagfoto, Inferno, InKulturA Es es überhaupt möglich, ein Buch zu rezensieren, das bereits im Vorfeld durch eine beispiellose Werbekampagne zum Bestseller gekürt wurde, dessen Übersetzer wochenlang kaserniert wurden, um zu gewährleisten, dass niemand vor dem offiziellen Erscheinungstermin den Text zu Gesicht bekommt und das mit einer medialen Hype in die Verkaufslisten gepusht wurde, die sogar für die aktuelle und immer hochaufgeregte Eventkultur neue Maßstäbe gesetzt hat?

Dan Brown hat wieder zugeschlagen und mit "Inferno" seinen mittlerweile vierten Roman vorgelegt, in dem Robert Langdon, der Symbolforscher aus Harvard, einmal mehr die Welt vor bösen Mächten retten muss. Natürlich steht auch diesmal wieder eine attraktive und intelligente Frau an seiner Seite. Mit der geheimnisvollen Ärztin Sienna Brooks macht sich Langdon daran, in Dante Alighieris »Inferno«, einem Teil dessen "Göttlicher Komödie", die Spuren einer globalen Bedrohung zu verfolgen, deren Urheber zu entlarven und die Menschheit von der Bedrohung erlösen.

Die Vorliebe des Autors für die Künstler der italienischen Renaissance ist bekannt und so verwundert es nicht, dass jetzt der Florentiner Dichter Dante zum Objekt Brown`scher Fabulierkunst geworden ist. Da wird aus dem Roman dann auch ein Reiseführer der besonderen Art. Der Leser erhält einen Schnellkurs in Florentiner Kunst- und Architekturgeschichte. Skulpturen, historische Gebäude sowie Plätze und Straßen erhalten mysteriöse Bedeutungen und Beziehungen, die zu entwirren einzig Langdon in der Lage ist.

Der Leser wird mitgenommen auf eine temporeiche Stadtführung. "Florenz im Schnelldurchlauf" wäre dann auch der bessere Titel für diesen vierten Langdonroman gewesen. Natürlich kennt Dan Brown Dante`s Werk bis ins kleinste Detail und selbstverständlich stimmen die historischen Verweise. Die beschriebene Hetzjagd durch Florenz kann durchaus als Fremdenführer durchgehen und wer sich in seinen Ferien auf den Weg macht, um auf den Spuren des Harwardprofessors durch die italienische Stadt zu eilen, der hat mit "Inferno" einen guten Führer in der Hand

Trotzdem bleibt der Roman seltsam uninspiriert und man merkt, dass bei diesem Buch die Marketingabteilung des Verlags anscheinend großen Einfluss besessen hat. Schließlich muss, wenn auf den Buchumschlag der Name Dan Brown steht, auch die gewohnte Brown`sche Hektik im Roman stecken. Obwohl das Thema des angeblichen Thrillers genügend Spielraum für einen wirklich großen Roman geboten hätte, ist doch nur ein unterdurchschnittlicher Krimi entstanden.

Man merkt diesem Roman auf nahezu jeder Seite an, dass er als Bestseller konzipiert worden ist. Das muss ja nun erst einmal nichts Schlechtes sein, schließlich wollen Autor und Verleger damit Geld verdienen. Doch so platt, so ungeniert und so verkrampft hätte gerade ein Dan Brown die Sache nicht angehen müssen.

Da sind die Kapitel so kurz, dass, sagen wir es gelinde, auch ein unbegabter Leser sich die Strapazen von fast 700 Seiten zumuten kann. Fast jedes Kapitel schließt mit einem, das folgende antizipierenden "Knaller", so dass der Leser eher an die Verfilmung von Comicromanen und Groschenheften erinnert wird, als an einen solide geschriebenen Roman.

Nach dem vierten Roman um Robert Langdon muss man leider feststellen, dass, wenn man einen Roman kennt, bereits alle kennt. So sehr ähneln sich Handlung, Tempo und Story. Treppe rauf, Treppe runter, Gang rechts, Gang links, falsches Zimmer und wieder alles von vorn.

"Inferno" ist manchmal tatsächlich ein wahres Inferno für den Leser. Ich jedenfalls konnte mich des Öfteren nicht beherrschen ein, zwei oder drei Seiten zu überblättern, um diesem Roman überhaupt bewältigen zu können. Ohne die Mühe und den Fleiß des Autors in Frage stellen zu wollen, kann man sich doch des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Drittel des Romans aus Textbausteinen besteht.

Fazit: Die Marketingstrategie war hervorragend, der Roman dagegen ein Flop.




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