Buchkritik -- Martin van Creveld -- Hitler in Hell

Umschlagfoto, Buchkritik, Martin van Creveld, Hitler in Hell, InKulturA Adolf Hitler, über dessen Leben sich inzwischen eine mittlerweile unüberschaubare Masse an Büchern auf dem Markt befindet und der neben seriösen und ernstzunehmenden Historikern auch andere, weniger kompetente und zur Forschung eher unberufene, jedoch mit viel Phantasie ausgestattete Pseudowissenschaftler dazu auffordert, ihre Interpretation historischer Fakten darzulegen, ist einfach nicht tot zu kriegen.

Wer könnte jedoch besser ein Fazit über sein Leben ziehen, als der Betroffene selber? Das literarische Genre Autobiographie und dessen verlegerisch-finanzieller Erfolg spricht eine deutliche Sprache. Mitunter führt das zu kuriosen „Lebenserinnerungen“ von noch nicht einmal erwachsen wirkenden Sternchen der Pop- und Sportwelt.

Was aber wäre, würde ein mit dem absolut Bösen gleichgesetzter Politiker, ein Diktator, posthum, die, natürlich aus der Hölle, ganz persönliche Version seines Lebens, seiner politischen Entwicklung und seinem Traum von einem 1000-jährigen Reich erzählen?

Genau das macht der GröFaZ, der größte aller Führer aller Zeiten. Auf Adolf Hitler wartet nach seinem Selbstmord im Führerbunker ein Platz in der Hölle. Nix da mit Hitze, Dämonen und Höllenqualen, es sein denn, Langeweile, Eintönigkeit und permanentes fahles Licht fallen in diese Kategorien. Dort sitzt er und zieht eine, nämlich seine Bilanz.

Bilanz? Von wegen Bilanz! Er sitzt, wahrscheinlich sehr bequem, auf einem Sofa und plaudert über sich und sein nicht ganz so wie geplant, eher kurz- als langjähriges Reich. Siehe da, er war ein Kind seiner Zeit und das Verhältnis zu den Eltern eines, wie es viele seiner Altersgenossen auch hatten. Nicht unintelligent, aber faul und am Wunsch seines Vaters, diesem berufsmäßig nachzueifern höchst desinteressiert. In Wien der vergebliche Versuch eine Laufbahn als Künstler einzuschlagen, dafür aber, auch ganz Kind seiner Zeit, Antisemit geworden. Im Ersten Weltkrieg Soldat und danach in München Politiker geworden.

Wie ein im Ruhestand lebender Geschäftsführer eines Unternehmens legt Hitler souverän und ohne Bedauern seine politischen Ziele, seine Erfolge und letztlich auch sein Scheitern dar. Die Schmach von Versailles ausgelöscht, erfolgreich die Arbeitslosigkeit bekämpft, der deutschen Frau zu Würde und ihrem richtigen Platz in der Gesellschaft verholfen. Der Grund übrigens, warum Hitler erst spät, zu spät Eva Braun geheiratet hat, so er selber, war die Tatsache, dass die Frauen des Reiches in ihm, dem Führer, den Mann schlechthin gesehen haben. Eigentlich, so könnte man seine Erinnerungen interpretieren, war er mit allen deutschen Frauen verheiratet.

Da er seit 73 Jahren in der öden Hölle sitzt, kann er natürlich trefflich darüber herziehen, welche Versager seitdem die politischen Geschicke der Länder lenken. Hätten die Engländer ihn doch nur verstanden, die Russen bzw. Stalin nicht hintergangen und wären die Amerikaner doch nur zu Hause geblieben, dann wäre alles ganz anders gekommen. Oder auch nicht, denn wie Hitler es angesichts seiner Generalität – „Waschlappen, keine Bluthunde“ – rückblickend formuliert, „Nicht gerade die idealen Mitarbeiter“.

Mal zynisch, mal ironisch, niemals jedoch mit dem geringsten Selbstzweifel oder gar Bedauern zu kokettieren, zieht er nicht nur seine persönliche Bilanz – „Ich allein bin verantwortlich für die Ermordung der Juden.“ –, sondern auch die der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und spart keineswegs mit bissigen Bemerkungen angesichts heutiger Zustände und Befindlichkeiten in den „modernen“ Armeen. So der „Führer“ hinsichtlich der Kampfkraft der Bundeswehr: „Heute scheint Feigheit in Berlin kein Hindernis auf dem Weg ins Oberkommando zu sein, sondern eine Grundvoraussetzung dafür.“ Autsch!

Der traut sich was, dieser Martin van Creveld. Seine fiktive Autobiographie des Diktators die, hart an den historischen Fakten geschrieben, sich so manchen Seitenhieb auf weniger faktengesicherte Publikationen leistet, ist ein überraschend neuer und origineller Ansatz, sich einer Figur zu nähern, die wie keine andere in der modernen Geschichte den Ruf des Unfassbaren und des Bösen schlechthin besitzt.

Der „bedeutende israelische Historiker“, so Hitler in seinen „Erinnerungen“, psychologisiert nicht, analysiert nicht oder fällt sonstigen Freud`schen Verlockungen zum Opfer. Seine Methode ist die nüchterne Untersuchung und Aufbereitung von Fakten jenseits aller reißerischen Spekulationen à la Goldhagen und Konsorten.

Das macht die Lektüre unterhaltsam, gleichzeitig bleibt dem Leser aber mehr als einmal das Lachen im Hals stecken angesichts des lapidaren Erzählstils des Diktators, für den der Tod von Millionen Menschen ein zu vernachlässigender Posten in seiner Bilanz darstellt.




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Veröffentlicht am 30. Dezember 2018