Buchkritik -- Ottfried Höffe -- Kritik der Freiheit

Umschlagfoto, Buchkritik, Ottfried Höffe, Kritik der Freiheit , InKulturA "Freiheit und Verantwortung haben", so schreibt Ottfried Höffe am Schluss seines Buches, "den Charakter einer Herausforderung, einer Provokation." So ist es kein Wunder, dass der Freiheitsbegriff in der Moderne einiges von seiner Strahlkraft verloren hat und das Projekt Freiheit angesichts dessen ins Negative weisenden Folgen mit Skepsis und Ressentiment behandelt wird.

Höffe weist dem Freiheitsgedanken in seiner "Kritik der Freiheit" die zentrale Position in einem aufgeklärten Liberalismus zu und macht deutlich, dass Freiheit - positive als ein "um zu" und negative als ein "weniger als" - auf Voraussetzungen beruht, deren Vorhandensein gerade in der Moderne Gefahr laufen, wegen der ihnen immanenten Komplexität die Idee der Freiheit zu untergraben.

In seiner groß angelegten Untersuchung macht Höffe, immer sein stupende Wissen in klare Sprache umsetzend, auf die Bedingungen von Freiheit aufmerksam, die allzu gerne aus dem Raster der üblichen philosophischen Untersuchungen fallen.

Freiheit bedingt sowohl "Freiheit von Naturzwängen", z. B. anhand technischer Errungenschaften und medizinischen Fortschritts als auch "innere Erziehung" - Freiheit fällt nicht vom Himmel, sondern muss in Individuum durch Erziehung erst angelegt werden - weiter geht es um die Freiheit in Wissenschaft und Gesellschaft, als da sind ein aufgeklärter Liberalismus und freie Märkte, die ihrerseits erst die freie Gesellschaft ermöglichen. Höffe zeigt dezidiert, wo hier gegenwärtige und zukünftige Gefahren bestehen und welche Reaktionen darauf möglich wären, weist aber auch auf die Beschränkungen und Gefahren, die, teils bereits vorhanden, teils noch zu erwarten sind, hin.

Als wenn diese Untersuchung noch nicht genug wäre, widmet sich Höffe der aktuell so beliebten Theorie von der Unmöglichkeit des freien Willens und, man muss es einfach so sagen, verwirft mit wenigen Strichen diese fragwürdige Position. Neurologen und Kritikern der Willensfreiheit hält er einen Spiegel entgegen und betont ironisch, "Jedenfalls pflegen Hirnforscher, sobald sie freiheitsskeptisch sind, ihre Freiheitsskepsis nicht gegen sich selbst anzuwenden. Zumindest blenden sie die Frage aus, inwieweit sie als Versuchsleiter und die Versuchsperson frei sind. (…) Der expliziten Freiheitsskepsis zum Trotz, also in einem offensichtlichen Widerspruch zu den die Freiheit ablehnenden Behauptungen, führen sie ein Leben in Freiheit und Verantwortung."

Die Freiheit, so das Fazit des Autors, ist noch lange nicht am Ende. Denn, noch einmal Ottfried Höffe "Den freiheitstheoretischen Höhepunkt der Freiheit bildet die Freiheit jedes einzelnen Menschen. Denn letztlich begründet sie, die personale Freiheit, den Kern von Selbstachtung und Integrität sowie die unantastbare Würde jedes Menschen. Paradoxerweise liegt in der Kehrseite der personalen Freiheit aber auch die freiheitstheoretisch größte Gefahr. Der positive Gipfel der Freiheit, die Willensfreiheit, ermöglicht auch deren negativen Höhepunkt, etwas, das sowohl im privaten als auch gesellschaftlichen und politischen, nicht zuletzt im kosmopolitischen Leben droht: das Böse. Weder zum Prinzip Freiheit, noch zum Projekt der Moderne gibt es eine grundsätzliche Alternative. Ebenso grundsätzlich bedürfen sie immer wieder der kritischen Erneuerung."




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Veröffentlicht am 27. Juli 2016