Buchkritik -- Alfred Goubran -- Durch die Zeit in meinem Zimmer

Umschlagfoto, Alfred Goubran, Durch die Zeit in meinem Zimmer, InKulturA Elias, der Leser erfährt seinen Namen erst spät, verweigert sich der Gesellschaft. Jung muss er sein, denn seine Eltern reagieren gelassen, fast desinteressiert auf seine Mitteilung, fortan keine Schule mehr besuchen zu wollen. Der Schulabbrecher bezieht ein kleines Zimmer, von Vater "irgendwann als ´Investition´gekauft..." und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.

Es ist eine einsame Welt, die Elias bewohnt. Kontakte finden ausschließlich oberflächlich statt. "Die Zeit der großen Gruppen war vorbei. Gegnerschaft, Widerstand war nur noch Behauptung des Anders-Seins, einer Unangepaßtheit, die man sich zu bewahren suchte." So zieht sich dann auch Elias immer mehr in sein Zimmer zurück und holt, anfangs projizierend, später dann halluzinierend die äußere Welt in sein enges Domizil.

Alfred Goubran erzählt in seinem Roman "Durch die Zeit in meinem Zimmer" von einem Nicht-Angepassten, der bereits früh die Erfahrung machen musste, dass Kommunikation schwer bis unmöglich ist. Die Eltern, immer in irgendwelche Geschäfte verwickelt, überlassen Elias sich selber. Doch damit befinden sie sich genau auf dem Kurs, den die gesellschaftliche Konvention vorgibt. Es findet permanent die Deprivation des Individuums statt, die Freundschaft und menschliche Nähe in der Realität unmöglich macht.

Einzig in der delirierenden Phantasie des kranken Elias wird die Kälte unterbrochen und die letzte Zuflucht im "Schwarzen Schloß" gesucht, das jedoch auch nur vordergründig Linderung bietet, denn Erlösung kann es nicht geben.

Es ist ein kalter Roman und die Suche des Elias nach Verwurzelung ist angesichts der Tatsache, dass jeder seiner spärlichen sozialen Kontakte ebenfalls in einer monadenhaften, aber seelenlosen solitären Welt lebt, zum Scheitern verurteilt.

Alfred Goubran erzählt gleichnishaft von einer Gesellschaft, in der der Einzelne verloren ist. Jeder ist ein Kleinstädter, dessen Welt, so beschreibt es der Autor süffisant, nur in Ordnung ist, solange er sich beklagen kann, um "bessere Tage" zu flehen und "... eine Vergangenheit zu beschwören, die es nie gegeben hat."

Der Unterschied zwischen dem saturierten Bürger und den Gescheiterten, den Ausgestoßenen der Gesellschaft, den Junkies, den Obdachlosen und den Kinderprostituierten ist nur ein schmaler Grad, der immer die Gefahr des Absturzes in sich birgt.

Es sind die Mauern, die jeder um sich herum aufbaut, die darüber entscheiden, ob Leben gelingt oder scheitert. Es ist diese Freiwilligkeit der Veränderung, gleichsam das Einreißen der selbst geschaffenen Begrenzung, in der sich jeder mehr oder weniger behaglich eingerichtet hat, die, von Goubran raffiniert unterschwellig artikuliert, weg vom Falschen, hin zum Richtigen führen - kann.

Elias wird sich auf den Weg machen. Das Ziel? Unbestimmt. Aber, ist nicht alles besser als der Status Quo? Eine beunruhigende Frage.




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Veröffentlicht am 22. Januar 2014