Buchkritik -- Harry G. Frankfurt -- Ungleichheit

Umschlagfoto, Harry G. Frankfurt, Ungleichheit, InKulturA Das Postulat, jeder solle gleich viel haben, ist das ureigene Thema jeder linken Ideologie. Keiner darf mehr besitzen als ein anderer, weil das die Menschen entsolidarisiert und nur der Egalitarismus dafür sorgt, dass, überspitzt ausgedrückt, endlich der ewige Frieden unter den Menschen ausbricht.

Nichts könnte falscher sein, so Harry G. Frankfurt, das Enfant terrible der Philosophie. In seinem neuen Buch "Ungleichheit" räumt er mit dem linken Vorurteil auf, dass, hätten nur alle das Gleiche, die moralische Entwicklung an einen Endpunkt gelangt wäre, den zu überschreiten nicht mehr nötig sein würde.

Ganz falsch, so polemisiert Harry G. Frankfurt in seinen beiden Essays über die Ungleichheit. Seit seinem Werk "Bullshit", in dem er mit der großmäuligen Besserwisserei selbst ernannter Experten abrechnet, gilt er als Enfant terrible der Philosophie. In seinem neuen Buch "Ungleichheit" führt er die linke These des "ökonomischen Egalitarismus" ad absurdum.

So ist die ökonomische Gleichheit für ihn "kein moralisch überzeugendes Ideal dar", sondern er ist der Meinung, dass es aus moralischer Perspektive wichtig ist, "dass jeder genug hat". Der entscheidende Begriff in Frankfurts Argumentation ist "Suffizienz" und darüber, ob er genug für ein zufriedenes und erfülltes Leben besitzt, entscheidet jeder Mensch für sich allein.

Frankfurt wendet sich gegen den argumentativen Automatismus der Linken, dass, hätte jeder das Gleiche, alle Ungerechtigkeiten der Welt beseitigt wären. So sei es, argumentiert er, für einen zufriedenen Menschen vollkommen unwichtig, ob es andere Menschen gebe, die über mehr Geld verfügten, als er selbst. Wer, wie Frankfurts "Zufriedener" ein selbstbestimmtes Leben führt, ist zur Erreichung seines individuellen Lebensglücks nicht davon abhängig, immer einen Vergleich mit anderen, die mit mehr materiellen Gütern ausgestattet sind, anzustellen. In genau diese Abhängigkeit will jedoch der Egalitarismus führen, denn noch jede linke Ideologie hat ihn bevorzugt als Herrschaftsinstrument benutzt.

Nicht die Ungleichheit ist moralisch zu verurteilen, sondern der Zwang, in einer Art von Armut zu existieren, die einen Menschen auf unmoralische Weise daran hindert, ein gutes Leben zu führen. Auch derjenige, der in saturierten Verhältnissen lebt, führt nicht automatisch ein moralisch besseres Leben als jemand, der nur wenig sein Eigen nennt. Da Zufriedenheit je Individuum verschieden definiert wird, ist es auch unter egalitaristischem Gesichtspunkt möglich, dass auch hinsichtlich absoluter Gleichheit schlechte Leben möglich sind. Wichtig ist, so Frankfurt, "herauszufinden, was wirklich von grundlegendem moralischem und sozialem Wert ist", und das geschieht ausschließlich auf individueller Ebene.

Harry G. Frankfurts "Ungleichheit" ist trotz seiner stimmigen und vom realen Leben bestätigten These vom "Glück trotz Armut" ein typisches Werk aus dem Elfenbeinturm saturierter Philosophen. Leider, und das ist das große Manko der beiden, aus alten Manuskripten Frankfurts aktualisierten Essays, geht er mit keinem Wort darauf ein, dass, immer davon ausgehend, der Autor fokussiert ausschließlich auf die westlichen Industrienationen, es zur korrekten Selbsteinschätzung etwas bedarf, dessen der Westen nicht mehr sicher sein kann.

Erziehung und eine Bildung, die weit über den Kanon erwerbstechnischer Finessen hinausgeht. Beides wurde auf dem Altar des kapitalistischen System des Westens geopfert. In der Doktrin des Kapitalismus ist der Mensch per se ein Mangelwesen, dem nur durch permanentem Konsum geholfen werden kann.

Das, was diesem Hamsterrad aus Werbung, Verheißung und Konsum hätte Einhalt gebieten können, wurde ausgerechnet von der linken Ideologie zerstört. Der familiäre Rückhalt und eine universelle Bildung sind die wichtigsten Bollwerke gegen die vom Kapitalismus versprochenen Wohltaten, die sich in Wirklichkeit als die Sucht nach immer mehr Dingen herausgestellt hat.

Harry G. Frankfurt setzt in seiner Polemik ein Individuum voraus, das es infolge linker Indoktrination eigentlich nicht mehr geben dürfte. Kritisch, genügsam, diszipliniert und umfassend gebildet. Hier hätte der Egalitarismus keine Chance. Alle anderen warten schon auf das nächste Smartphone.




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Veröffentlicht am 9. April 2016