Buchkritik -- Stephan Harbort -- Falsche Fährten

Umschlagfoto  -- Stephan Harbort  --  Falsche Fährten Denjenigen, die nicht mit der oft mühevollen Ermittlungstätigkeit von Kriminalpolizisten vertraut sind und die eher dem Medienklischee des omnipotenten Detektivs verhaftet sind, als mit den realen Bedingungen, unter denen Verbrechen gelöst werden, soll mit dem neuen Buch von Stephan Harbort ein Einblick in die Arbeitsweise, aber auch in die Irrtümer und Fehlschlüsse von Ermittlungsbeamten gezeigt werden.

Der Alltag der Männer und Frauen, die sich mit der Aufklärung von Verbrechen beschäftigen, ist weit entfernt von dem, was uns Film und Fernsehen so gern darbieten. Der Kommissar als Superspürnase ist dann auch eher der Phantasie von Kriminalschriftstellern und Drehbuchautoren entsprungen, als eine reale Figur im polizeilichen Ermittlungsverfahren.

In seinem Buch Falsche Fährten schildert Stephan Harbort die Aufklärung von Todesfällen, die, nachdem für die Ermittler eigentlich bereits alles klar war, eine unerwartete Wendung genommen haben. Die Aussagen von Zeugen erschienen plötzlich nicht mehr so zuverlässig, wie es den Anschein hatte. Selbstmorde erwiesen sich als Tötungsdelikte, manche Verbrechen wurden vorgetäuscht um andere zu vertuschen oder einen Versicherungsbetrug zu begehen. Einige, bereits abgeschlossene und zu den Akten gelegte Fälle mussten sogar nach Jahren durch ein freiwilliges Geständnis des Täters oder der Täterin wieder aufgenommen werden.

Auch wenn Stephan Harbort diesmal nicht sein bislang bevorzugtes Sujet - die Aufklärung von Serienmorden - beschreibt, erweist er sich einmal mehr als brillanter und empathischer Erzähler. Obwohl, oder besser, gerade weil er die Irrtümer und die Fehleinschätzungen der ermittelnden Beamten schildert, zeigt er, wie schnell auch Profis dazu bereit sind, sich dem vorgeblichen Schein zu unterwerfen und dadurch auf falsche Fährten gelockt werden.

Das ist menschlich und verständlich. Oft, wir sehen es in seinem neuen Buch, war die Beweiskette lückenlos und der vermeintliche Täter geständig. Die Zeugenaussagen waren stimmig und die Spuren scheinbar eindeutig. Trotzdem erwies es sich durch einen Zufall - bislang nicht in Erscheinung getretener Augenzeuge oder die Auffindung neuer Beweismittel - dass der Fall unter einem vollkommen anderen Blickwinkel betrachtet werden musste. In wenigen Fällen blieb sogar die Aufklärung eines Mordes trotz erheblicher polizeilicher Zweifel an der Unschuld des vermeintlichen Täters unmöglich.

Die Ermittlungen in einem Mordfall betreffen in der Regel nicht nur die unmittelbar involvierten Personen, sondern auch deren familiäres und soziales Umfeld. Dieses Umfeld gilt es zu schützen und vor falschen Anschuldigungen zu bewahren. Kriminalbeamte werden sich im Lauf ihrer Recherchen mehr als einmal die Frage stellen, ob sie sich auf der richtigen Spur befinden oder ob alles nicht doch ganz anders sein könnte.

Falsche Fährten von Stephan Harbort zeigt die alltägliche Arbeit von Kriminalermittlern. Da es sich um reale Fälle handelt, kann der Leser ohne Weiteres nachvollziehen, wie schwer es mitunter sein kann, die wirklich Schuldigen zu ermitteln und ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Allein das verdient schon den Respekt der Gesellschaft.




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