Buchkritik -- Barbara Erdmann -- Deutschlands kaputte Kinder

Umschlagfoto  -- Barbara Erdmann  --  Deutschlands kaputte Kinder Seit Jahrzehnten ist in Deutschland der für die Zukunft unseres Landes so wichtige Bereich der Erziehung und Bildung unserer Kinder zu einem Tummelplatz für experimentierfreudige, aber (er)kenntnislose Politiker und realitätsferne (Amts)Pädagogen geworden. Die fatalen Auswirkungen werden immer sichtbarer. Zerstörte Elternhäuser, ein Bildungssystem, das diesen Namen nicht mehr verdient, unfähige Politiker und lustlose Pädagogen, aber auch ganze Elterngenerationen, die allenfalls die materiellen Bedürfnisse ihrer Kinder befriedigen, die jedoch die emotionalen Hilfeschreie ihrer Kinder geflissentlich überhören. Das Ergebnis sind die verheerenden Ergebnisse diverser Untersuchungen, von denen die PISA-Studie nur eine ist.

Barbara Erdmann, selber 30 Jahre als Lehrerin tätig, hat über diese traurige deutsche Realität ein Buch geschrieben. Deutschlands kaputte Kinder ist ein wütender und engagierter Aufschrei über die Mißstände beim Umgang mit unserem Nachwuchs. Weit entfernt von der die tatsächlichen Verhältnisse nur verschleiernden Political Correctness, beschreibt die Autorin schonungslos die Realität: Lehrer, die sich vor ihren Schülern, aber auch vor deren Eltern fürchten. Eltern, denen seit Jahren von offizieller pädagogischen Seite immer wieder suggeriert worden ist, wie wichtig doch die unbeschränkte individuelle Entfaltung ihrer Kinder ist und die jetzt als einfordern von Rechten, ohne Bereitschaft zur Übernahme von Pflichten ans Tageslicht tritt. Eine Politik, deren daran Beteiligte sich ohne Hemmungen bereichern und die eine Vorbildfunktion allenfalls als Lippenbekentnis führt. Die Gründe der aktuellen Probleme sind vielfältig. Sie gehen, wie Barbara Erdmann richtig bemerkt, uns alle an. Der Staat und die Gesellschaft ist jeder einzelne von uns. Niemand kann sich herausreden.

Die im Buch gegebenen Beispiele sind leider tägliche Realität. Jeder mit Erziehung Beschäftigte kennt sie aus eigener Erfahrung. Da sind die Diskussionen mit den eigenen Kindern über Sinn und Unsinn von Markenklamotten - Zu Recht fordert die Autorin Schuluniformen. Da ist die durch unverantwortliche Politiker auf Stimmenfang propagierte und leider realisierte Volljährigkeit mit 18 Jahren - Zu Recht fordert die Autorin die Heraufsetzung auf die ursprünglichen 21 Jahre. Da sind emotionale Vernachlässigung seitens der Eltern schon der Normalzustand - Zu Recht fordert die Autorin Erziehungskurse auch und gerade für Eltern und Großeltern. Für eine vergleichbar simple Tätigkeit wie das Führen eines Kraftfahrzeugs ist eine staatliche Prüfung vorgeschrieben, Kinder jedoch darf jeder Depp (v)erziehen. Vorbildfunktion von Politikern oder Sportlern? Fehlanzeige! Nirgendwo sind abgeschlossene Verträge und Versprechen so wenig wert wie hier.

Die Gesellschaft und damit WIR tragen ein gerüttelt Maß an Verantwortung für diese Zustände. Zu viel haben wir unter dem Deckmäntelchen einer falschen Toleranz erlaubt oder für normal befunden. Jeder noch so kleine Wicht darf sich unappetitlich in Talkshows exponieren, die gesellschaftliche Hemmschwelle tendiert gegen Null und aus Angst davor, sich gegen den aktuellen Trend zu stellen, schwimmen wir alle brav mit. Auch in diesem Punkt hat die Autorin vollkommen recht: Erst wenn wir uns selber gegen die Verhältnisse stemmen und den Mut finden öfter NEIN zu sagen, werden sich auch die Verhältnisse ändern.

Da, auch wenn es die aktuelle Politik anders sieht, Erziehung immer zuerst und hauptsächlich in der Familie stattfindet, sind die Eltern und Großeltern, die Tanten und Onkel, kurz gesagt, das gesamte familiäre Umfeld gefordert. Für Ausreden, aber auch für Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit ist es zu spät. Anstelle eines nagelnauen, superschnellen Computers vielleicht mal mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Nicht gleich jeder kindlichen Laune stattgeben, sondern ruhig auch einmal eine Konfrontation riskieren. Nicht so viele materielle Güter verschenken, sondern viel mehr emotionale Stabilität bieten.

Dieses Buch von Barbara Erdmann sollte Pflichtlektüre für alle werden, die mit Erziehung zu tun haben. Doch leider wird davon nur sehr wenig in die ideologisch bornierten Köpfe der verantwortlichen Personen gehen. Es bestärkt jedoch alle diejenigen, die ihre Pflicht als Erziehende ernst nehmen. Nicht immer ist es einfach, denn die aktuellen gesellschaftlichen Zustände stemmen sich dem entgegen. Deshalb der Rat der Autorin: Nehmen wir es selbst in die Hände. Seien wir selber ein Vorbild und Beispiel für unsere Kinder, denn nichts ist beeindruckender und aufrichtiger als vorgelebte Charakterstärke. Es gibt so viel zu tun. Krempeln wir die Armel hoch und gehen es an. Es lohnt sich!




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