Buchkritik -- Gertrud Höhler -- Die Patin

Umschlagfoto  -- Gertrud Höhler  --  Die Patin Es gehört verlegerisch eine gehörige Portion Mut dazu, ein Buch zu veröffentlichen, dass mit Angela Merkel so hart ins Gericht geht. Schenkt man den Umfragergebnissen Glauben, so liegt die amtierenden Bundeskanzlerin immerhin mit 61 Prozent der Stimmen, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind, einsam an der Spitze des politischen Stimmungsbarometers. Es bedarf natürlich keiner ausdrücklichen Erwähnung, dass es ein Schweizer Verlag ist, der sich traut, eine so harsche Kritik an der Arbeit der Bundeskanzlerin auf den Markt zu bringen.

Gertrud Höhler nimmt in ihrer Generalabrechnung "Die Patin: Wie Angela Merkel Deutschland umbaut" kein Blatt vor den Mund. Ausgehend von Merkels Wirken bzw. deren Nichtwirken in den letzten Tagen des DDR-Systems, analysiert die Autorin treffsicher und eloquent die Karriere der politischen Ziehtochter Helmut Kohls.

Sprichwörtlich für den rasanten Aufstieg Angela Merkels ist die Aussage des Bundespräsidenten Gauck, der, in Anbetracht des politischen Standpunkts von Merkel die Aussage tätigte, er könne sie nicht wahrnehmen. Hier liegt die große Tragik der Person Merkel und damit auch die Brisanz dessen, was diese Frau im Begriff ist, den deutschen Bürgern, dem politischen System und der Demokratie anzutun.

Angela Merkel, die erste Bundeskanzlerin Deutschlands, ist, um es deutlich zu sagen, bestenfalls eine gnadenlose Opportunistin oder wie Gertrud Höhler es ausdrückt, sie wildert in fremden Parteiprogrammen, verkauft diese Ideen als ihre eigenen und laviert auf diese Weise nahezu unangreifbar, weil, wie von Gauck richtig bemerkt, nicht sichtbar.

In der Tat, verfolgt man die politischen Aussagen Merkels, erhält man eine merkwürdige Melange aus belanglosen Kommentaren und uneindeutigen politischen Aussagen. Getreu der Devise "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" hat bislang kein deutscher Politiker solch eine Karriere von Wendungen und Umfallern vorzuweisen gehabt. In der europäischen Schuldenkrise war es ausgerechnet Merkel, der von ihren ausländischen Kollegen vollkommen zu Unrecht den Titel "Madame No" verliehen wurde. Aus der, auf deutscher politischer Bühne agierenden "Madame No" wurde noch jedesmal auf europäischer Bühne "Madame Oui", im Klartext, das, was Merkel dem deutschen Bürger versprach, hat sie im Konzert der Mächtigen Europas immer wieder gebrochen.

Angela Merkel und ihr System, da muss man der Autorin uneingeschränkt Recht geben, ist auf dem Weg, die Demokratie in diesem Land zu demontieren. Das einer Demokratie unwürdige Personengeschacher um die Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten war da nur ein Beispiel von vielen. Es geht der Patin - ein überaus treffender Buchtitel - weder um langfristige politische Ziele noch um eine wirklich zukunftstaugliche Politik, sondern einzig um den Machterhalt des regierenden politischen Klüngels. Wer dafür das passende Wort sucht, wird im Begriff der Ochlokratie fündig. Nicht mehr der Willen des Souveräns, d. h. der Wille des Volkes ist entscheidend, sondern das Machtkalkül der Herrschenden.

Wer auf diese Art und Weise regiert, zeigt nur, dass er Angst vor dem Volk, vor den Wählern hat. Die schleichende Entmachtung des Parlaments bei entscheidenden Abstimmungen zeigt die Richtung, in der der politische Zug in Zukunft fahren wird. Angela Merkel, ost-sozialisiert und mit feinem Gespür für Machtspielchen, weiß um die Gefährlichkeit des Bürgerwillens. Den hat sie angesichts des Zusammenbruchs der DDR ausgiebig studieren können.

Sie ist, wie Gertrud Höhler es treffend formuliert, eine Person des Hintergrunds gewesen und die ehemaligen Bürgerrechtler der untergehenden DDR haben zurecht keine hohe Meinung von ihren demokratischen Überzeugungen. Anläßlich Ihrer Rede am 16.06.2005 zum 60-jährigen Bestehen der CDU - zu diesem Zeitpunkt war sie noch keine Bundeskanzlerin - tätigte sie folgende Aussage: “Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit”. Wer Ohren hatte, der konnte bereits vor 12 Jahren das "aufrechte" demokratische Bekenntnis Merkels hören. Inzwischen wissen die Bürger dieses Landes, dass ihr Anspruch auf Demokratie längst erloschen ist.

Die Autorin macht klar, aus welchen Gründen die Alt-Herren-Riege der CDU/CSU-Granden vor der Kanzlerin kuscht. Sie war es, die als einzige den Mut hatte, gegen die Überfigur Helmut Kohl vorzugehen und die letztendlich seinen Sturz initiierte. Das hat bei den ehemaligen Parteigrößen eine fatale Mischung aus Respekt und Untertanengeist hervorgerufen, aus der Angela Merkel bis heute ihre politische Legitimation ableitet.

Das System Merkel und seine Adlaten - Ronald Pofalla und Hermann Gröhe, um nur zwei der Schlimmsten zu nennen - ist eine Gefahr für die Demokratie in unserem Land. Das hat Gertrud Höhler richtig analysiert. Leider und das ist auch der Schwachpunkt ihrer Generalabrechnung mit Angela Merkel, zeigt sie weder eine Alternative noch macht sie einen tragfähigen und sich auf dem Boden des Rechtsstaates bewegenden Vorschlag zur Lösung des Problems. Meckern kann jede(r). Gegenentwürfe sind gefragt.

Dass es ausgerechnet dem Orell Füssli Verlag in der Schweiz zu verdanken ist, dass dieses Buch seinen Weg zum Publikum gefunden hat, zeigt deutlich, wie ernst es um die Meinungsfreiheit in Deutschland bereits bestellt ist.




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