Buchkritik -- Mattias Edvardsson -- Die Lüge

Umschlagfoto, Buchkritik, Mattias Edvardsson, Die Lüge, InKulturA Stella, die 19-jährige Tochter von Adam, seines Zeichens Pfarrer, und Ulrika, eine erfolgreiche Anwältin, steht unter Mordverdacht und wird verhaftet. Sie soll ihren Bekannten, den wesentlich älteren und zwielichtigen Geschäftsmann Chris erstochen haben. Die vermeintlich heile Welt der Familie erhält Risse und die Eltern stellen sich die Frage, wie weit sie gehen würden, um ihrer Tochter zu helfen, sprich, Zweifel am Tathergang, so wie ihn die Staatsanwaltschaft präsentiert, zu erwecken.

Mattias Edvardsson bedient in seinem Roman so ziemlich jedes literarische Klischee. Der Vater, weltoffen und tolerant, gleichzeitig jedoch bezüglich der Eskapaden seiner Tochter ein absoluter Kontrollfreak. Die Mutter, Rechtsanwältin, versteckt sich hinter ihrem Beruf, um das distanzierte Verhältnis zu ihrer Tochter zu rechtfertigen. Die Tochter steckt, trotz ihrer neunzehn Jahre, noch mitten in der Pubertät, ist unfähig ihre Affekte zu kontrollieren, nicht bereit sich anzupassen und geht damit ihrer nächsten Umgebung, mit Ausnahme ihrer Freundin Amina, ziemlich auf den Wecker.

Alle drei lässt Edvardsson in seinem Psychogramm einer normalen schwedischen Familie zu Wort kommen. Jeder schildert seine eigene Perspektive, deren Kulminationspunkt in der Gerichtsverhandlung gegen Stella besteht.

Schnell stellt sich heraus, dass das traute Familienleben nicht ganz so ist, wie es gerade Adam und Ulrika in der Öffentlichkeit vorleben. Der Zahn der Zeit nagte auch an dieser Beziehung, Hoffnungen wurden enttäuscht und mehr als einmal wünscht sich Ulrika eine Tochter zu haben, wie Amina, die Freundin von Stella. Die Mordanklage gegen die Tochter erweist sich als Auslöser für die Suche nach familiärer Geschlossenheit.

So weit, so gut. Trotzdem will beim Lesen keine rechte Spannung aufkommen. Einerseits tauchen die üblichen Verdächtigen auf: eine ehemalige Freundin des Opfers warnt Stella und Amina vor dem späteren Opfer. Eine beflissene Staatsanwältin will unbedingt einen Schuldspruch. Der Verteidiger ein berühmter Anwalt – warum schwitzt der eigentlich immer so viel? Der Richter, ein gütiger und verständnisvoller Mann. Aminas Eltern ebenfalls ohne jegliche Kenntnisse über die Psyche ihrer Tochter. Ein psychopathisches späteres Opfer. Eine nicht zur Anzeige gebrachte Vergewaltigung und, last but not least, Stella, die solch ein wandelndes Abziehbild einer Pubertierenden darstellt, dass es schmerzhaft ist.

Mir hat die Lektüre keinen Spaß gemacht, denn die Parole „Die Familie geht über alles“ wird dermaßen zu Tode geritten, dass es mich grauste. Zwar lässt der Autor durch erzählerische Rückblenden die langsam entstehenden Verwerfungen in der Familie Revue passieren, doch es bleiben zwei überaus tolerante Eltern, deren Toleranz darin besteht, nicht zu wissen, was ihre Tochter unternimmt.

Gerade durch die drei Erzählperspektiven will keine rechte Spannung aufkommen, wiederholen sich doch in den jeweiligen Schilderungen viele Geschehnisse. Der Schluss des Romans ist ebenfalls wenig überraschend, denn ein nicht gerade an Phantasiemangel leidender Leser konnte sich relativ frühzeitig auf den Täter festlegen. Eigentlich, so mein Fazit, gibt es in diesem Fall keinen einzigen Unschuldigen.




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Veröffentlicht am 4. Mai 2019