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Buchkritik -- Riley James -- Die Kälte

Umschlagfoto, Buchkritik, Riley James, Die Kälte, InKulturA Ein Debüt, das das Blut gefrieren lässt: Riley James' „Die Kälte‟ ist eine meisterhafte Hommage an den klaustrophobischen Horror und zugleich ein hochmoderner Thriller, der die australische Krimilandschaft neu definiert. Schon der Titel verspricht Gänsehaut, doch was die australische Autorin in ihrem Erstlingswerk entfesselt, ist weit mehr als nur ein Spiel mit der Kälte. Es ist ein psychologisches Kammerspiel in der unendlichen Weite der Antarktis, ein Ort, der gleichermaßen majestätisch und tödlich ist. Die Inspiration durch John Carpenters Filmklassiker "Das Ding aus einer anderen Welt" ist dabei nicht nur ein oberflächliches Zitat, sondern das Fundament, auf dem eine zutiefst menschliche Geschichte über Trauma, Misstrauen und Überleben aufgebaut wird.

Im Zentrum der Geschichte steht die Geologin Kit Bitterfeld, die in der isolierten Forschungsstation ihre emotional schmerzhafte Scheidung verarbeiten will. Die Antarktis, so hofft sie, ist der einzige Ort auf der Welt, der weit genug entfernt ist, um dieses Trauma zum Schweigen zu bringen. Doch schnell wird klar: Die größte Gefahr lauert nicht in den erbarmungslosen Schneestürmen, sondern unter den wenigen Menschen, die hier auf engstem Raum gefangen sind. James entfaltet ein perfides Spiel, in dem jeder verdächtig ist und alte Loyalitäten zerbrechen. Die größte Stärke des Romans ist dabei zweifellos seine dichte, fast greifbare Atmosphäre. Riley James nutzt das Setting nicht nur als Kulisse, sondern macht die Antarktis zu einer aktiven, bedrohlichen Kraft. Die endlose weiße Landschaft wird zum Spiegel der inneren Leere der Charaktere, die klirrende Kälte zur Metapher für die emotionalen Abgründe, die sich zwischen ihnen auftun. Man spürt die beißende Kälte beim Lesen förmlich auf der Haut und die wachsende Paranoia kriecht einem unter die Haut, während Kit verzweifelt versucht, den Wolf im Schafspelz zu enttarnen. Die klaustrophobische Enge der Station steht im brutalen Kontrast zur unendlichen Weite draußen und erzeugt eine Spannung, die kaum auszuhalten ist.

Kit Bitterfeld ist eine brillant gezeichnete, vielschichtige Protagonistin. Ihr Kampf ist nicht nur ein äußerer gegen einen Mörder, sondern auch ein innerer gegen ihre eigenen Traumata. Ihre Verletzlichkeit und ihre unerwartete Stärke machen sie zu einem Ankerpunkt in einer Geschichte voller undurchsichtiger Figuren. Dennoch ist „Die Kälte‟ nicht ohne kleine Makel. Während die Handlung über weite Strecken mit hohem Tempo voranschreitet, gibt es im Mittelteil einige Längen, in denen die Spannung kurzzeitig abfällt und die Erzählung an Fahrt verliert. Zudem könnten erfahrene Krimi-Leser, die mit den Konventionen des Genres vertraut sind, die eine oder andere Wendung als vorhersehbar empfinden und die Identität des Täters möglicherweise früher als von der Autorin beabsichtigt erraten. Diese kleinen Risse im ansonsten spiegelglatten Eis trüben den Gesamteindruck jedoch nur geringfügig.

Trotz dieser kleineren Schwächen ist „Die Kälte‟ ein außergewöhnlich starkes Debüt. Riley James verbindet meisterhaft die psychologische Spannung eines Charakterdramas mit der typischen Paranoia eines Horror-Thrillers. Der Roman ist eine Liebeserklärung an das klassische Spannungskino und zugleich ein hochmoderner Krimi, der die besten Elemente des Scandi-Noir auf die südliche Hemisphäre überträgt. Ein Muss für alle Leser, die einen Thriller suchen, der sie nicht nur fesselt, sondern auch noch lange nach der letzten Seite beschäftigt.




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Veröffentlicht am 30. Oktober 2025