Buchkritik -- Byung-Chul Han -- Die Austreibung des Anderen

Umschlagfoto, Buchkritik, Byung-Chul Han, Die Austreibung des Anderen, InKulturA Philosophische Geschwätzigkeit ist nicht seine Sache. Byung-Chul Han bringt die Dinge auf den Punkt und bedient sich dabei einer pointierten Diktion, die sich, bei allen berechtigten Einwänden, wohltuend vom all zu oft selbstverliebtem Geschwurbel seiner Fachkollegen unterscheidet.

"Die Austreibung des Anderen" macht da keine Ausnahme und in dezidiert knappen Sätzen erklärt er, warum die Gesellschaft entgegen der offiziellen Sichtweise auf dem Weg in die Vereinzelung, in den Modus des totalen Solipsismus geschaltet hat. Der Neoliberalismus, so der Autor, zwingt die Menschen dazu, sich selber fortwährend zu Objekten des Marketings zu degradieren, um im globalen Wettbewerb Vorteile zu erlangen. Dadurch findet eine Entfremdung des Individuums von sich selber statt, die sich selbst als absolut setzt und als Konsequenz neben sich nur die Leere des Digitalen kennt.

Wir leiden nicht an zu wenig, sondern an zu viel Kommunikation, Konsum, Information und Produktion. Die Welt stellt sich als Ort der Beliebigkeit heraus, deren Quintessenz im "Gefällt mir" Button die absolute Bankrotterklärung der Beziehungsfähigkeit darstellt.

Nun ist Kritik am Neoliberalismus nichts Neues und auch Byung-Chul Han erfindet die Ideologiekritik nicht als erster. Doch seine Aussagen bezüglich des Verhältnisses zwischen einem Ich und dem Anderen gehen tiefer. Ohne die "Negativität des Anderen", die sich in Blicken und Stimmen, in der Sprache und dem Denken des Anderen ausdrückt, ist das Individuum unfähig, eine Beziehung zur Welt herzustellen.

Im Zeitalter sog. sozialer Medien sind deren Teilnehmer reduziert auf eine digitale Hülle, die sich gern als unangepasst oder unbequem darstellt, dabei jedoch nur vorgegebenen Trends folgt und die es verhindert, in Kontakt zu einem Gegenüber zu treten, der durchaus konfliktreich verlaufen kann, dadurch jedoch erst die Möglichkeit bietet, sich selber und damit auch den Anderen als Person wahrzunehmen.

Leider, und das ist kein kleines Manko, ist der Neoliberalismus für den Autor das Böse schlechthin und er kommt zu dem - falschen – Schluss, dass zwischen ihm und dem aktuellen islamischen Terrorismus ein Zusammenhang besteht. "Es ist nicht das Religiöse, das die Menschen zum Terrorismus treibt. Es ist vielmehr der Widerstand des Singulären gegen die Gewalt des Globalen."

Damit entgeht Byung-Chul Han die Tatsache, dass sich sowohl der Neoliberalismus, der sich übrigens bereits teilweise wieder auf dem Rückzug befindet, als auch der Islam einen globalen Herrschaftsanspruch besitzen, den beide nur mit unterschiedlichen Mitteln zu erreichen versuchen. Das Religiöse ist, im Gegensatz zur Position des Autors, keine Singularität, die gegen das Globale kämpft, sondern selber ein Globales, das sich selbst als absolut setzen will.




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Veröffentlicht am 5. Januar 2017