Buchkritik -- Grégoire Chamayou -- Ferngesteuerte Gewalt

Umschlagfoto, Grégoire Chamayou, Ferngesteuerte Gewalt, InKulturA Die Kriege der Zukunft werden aller Wahrscheinlichkeit auf andere Weise ausgetragen werden, als die der Vergangenheit. Massive Truppenaufmärsche und das Bewegen von endlosen Materialkolonnen wird es dann nicht mehr geben. Nach dem Fall des Kommunismus und dem Ende des Kalten Krieges sind die jetzigen und kommenden Konflikte gekennzeichnet von eine bisher unbekannte Asymmetrie. Religiöse und kulturelle Spannungen werden vor dem Hintergrund einer vollkommen neuen militärischen Herausforderung stattfinden.

Die Drohne, ein ferngesteuerter Flugkörper, ist die Antwort der Militärstrategen auf die Anforderungen der Kriege der Zukunft. Während das Militär und dessen Theoretiker nicht müde werden zu betonen, dass durch den Einsatz bewaffneter Drohnen das Töten "human" wird, kommt Grégoire Chamayou in seiner Analyse "Ferngesteuerte Gewalt - Eine Theorie der Drohne" zu dem entgegengesetzten Urteil.

Die Drohne hat bereits das Bild des Krieges verändert und wird dies in Zukunft noch weiter fortsetzen. Die, nach alter militärischer Vorstellung, vom Kampf des Soldaten gegen feindliche Soldaten geführte Schlacht gehört der Vergangenheit an und damit verschiebt sich der Charakter des Krieges hin zu einem Töten aus der Distanz, das von der politischen und militärischen Führung als (eigene) Ressourcenschonung, bei gleichzeitiger Vernichtung des Feinde gefeiert wird.

Dies ist, zumindest für Chamayou, ein kulturgeschichtlicher Umbruch, dessen wirkliche Bedeutung allerdings in einem Wechsel der bislang gültigen Paradigmen des Völkerrechts und der militärischen Doktrin besteht. Der Einsatz von Drohnen macht aus einem lokal begrenzten Konflikt einen zeitlich unbegrenzten und lässt die Grenzen zwischen Polizeiaktionen und Staatsterror verschwimmen.

Aus sicherer Distanz, die Piloten der Drohnen sitzen tausende von Kilometern entfernt, wird der Krieg zu einem Videospiel, das durch das "allsehende Auge" der Zieloptik, dem "allsehenden Auge" Gottes nahe kommt. Zugleich bemerkt Grégoire Chamayou an, dass das Töten aus der Distanz zu einer, wie er es nennt "Nekro-Ethik" führt, die es gutheißt, fremdes Leben zu nehmen und eigenes zu schützen. Aber, diese Frage muss sich der Autor stellen, ist das nicht schon immer der Sinn und Zweck militärischer Auseinandersetzungen gewesen? Dafür spricht der, auch durch keine noch so große Indoktrination zu verhindernde Selbtserhaltsreflex der Soldaten.

Wenn der Autor an dieser Stelle die Kamikazepiloten Japans als Beispiel für "kriegsgerechtes" Töten anführt, dann verkennt er die Tatsache, dass gerade diese Selbstmordflieger mit ihrer Aktion sich weniger als Soldaten, sondern viel mehr als Ausführende einer langen historischen Tradition verstanden.

Chamayous Analyse greift dann auch etwas zu kurz, wenn er das bisherige "Rollenverhalten" der Kombattanten als weiterhin gültiges Paradigma des Kriegs betrachtet. Der für den Autor ethisch korrekte Kampf Mann gegen Mann ist aufgrund sich verändernder Voraussetzungen obsolet geworden. Die aktuellen Konflikte zeigen das. Nicht zuletzt die religiös motivierten Auseinandersetzungen und der Kampf gegen den Terror erfordern eine neue militärische Strategie, um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.

Natürlich hat Chamayou Recht, wenn er betont, dass sich der Status zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten durch den Einsatz ferngesteuerter Flugkörper zuungunsten letzterer verändert hat. Die Drohne, im Gegensatz zum traditionellen Soldaten, unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind. Wer in die "Killzone" gerät, wird automatisch zum Ziel. Und damit erweist sich die Theorie vom "humanen" Töten als leere Propagandafloskel.




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Veröffentlicht am 22. März 2015