Buchkritik -- Stefan Soder -- Cafe Selig

Umschlagfoto, Buchkritik, Stefan Soder, Cafe Selig, InKulturA Wer nichts wird, wird Wirt. Oder doch nicht? Sind langjährige Kneipenwirte und die in diesen Etablissements Dauerangestellte nicht in Wirklichkeit Chronisten, zuverlässige Zeitzeugen, denen nichts menschliches fremd ist und deren Ohren und Augen stets geöffnet sind, die Münder angesichts des Gehörten und Gesehenen nichtsdestoweniger diskret geschlossen?

Der Ausgangspunkt der Geschichte dürfte manchem Jahrgang bekannt vorkommen. Jung, agil, voller guter Vorsätze, machen sich vier Menschen auf, die Welt zu verändern. Vorerst in einem Hochschulmagazin, doch die Zukunft scheint wie immer noch offen und mit etwas gutem Willen und Elan sollte sich doch etwas in die gewünschte politische und gesellschaftliche Richtung verschieben lassen.

Der Erzähler, angehender Schriftsteller und nach Selbsteinschätzung bald Autor eines überaus erfolgreichen Romans, in Wirklichkeit jedoch ein Student mit langer Verweildauer an der Universität, rekapituliert die Entwicklung einer Freundschaft, die, entgegen den hohen Ambitionen jedes einzelnen, bald in den üblichen beruflichen und privaten Konflikten, Verirrungen und, in einem Fall, sogar zu politischer Korruption führt.

Der Chronist, der mitunter etwas larmoyant daherkommt, erweist sich jedoch, geht es um seine Freunde, als ein unbestechlicher Beobachter des Geschehens, das mit der gnadenlosen Logik des Lebens aus jungen Idealisten abgebrühte Opportunisten macht, die aber gerade deswegen in ihren jeweiligen Karrieren erfolgreich sind.

Stefan Soder hat, mal augenzwinkernd, mal tragisch, mitunter, im Fall von Hans, dem politischen Tausendsassa, der es versteht, im Hintergrund geschickt die Fäden zu ziehen, zynisch, Lebensgeschichten erzählt, die wohl typisch sind, für eine Zeit, die aus dem Ruder gelaufen ist und deren monadenhafte Existenzen in ihrem kleinen Wirkungskreis reüssieren, denen aber der Blick für das große Ganze abhandengekommen ist.

Die weite Welt, die aus Idealisten knallharte Realisten macht, die nicht mehr so gerne an ihre einstigen Ziele erinnert werden wollen, trifft sich am Ende wieder im Cafe Selig. Dort gibt es nämlich immer etwas, was gar nicht auf der Karte steht – das Geheimgulasch. Es besteht also durchaus noch Hoffnung.




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Veröffentlicht am 30. Juli 2022