Buchkritik -- Ben Brooks -- Nachts werden wir erwachsen

Umschlagfoto  -- Ben Brooks  --  Nachts werden wir erwachsen Ben Brooks, auf der britischen Insel bereits als neues literarisches Wunderkind gefeiert, legt mit Nachts werden wir erwachsen seinen vierten Roman vor, der zugleich der erste ist, der auf Deutsch erscheint. Sein Titelheld, unschwer als Alter Ego des Autors zu identifizieren, ist Jasper. Der ist siebzehn Jahre alt, lebt in einem englischen Vorort und ist wohl das, was man gemeinhin sich unter einem englischen Durchschnittskid vorstellt.

Für den Leser ist Jasper der Reiseführer durch eine Subkultur einer Generation, die wohl längst weiß, dass die Gesellschaft sie bereits vergessen hat und wohl auch in Zukunft darauf verzichten wird, deren Potential zu nutzen. Zwischen den Erwachsenen, die in diesem Roman entweder als Eltern oder Lehrkräfte auftauchen und den Jugendlichen gibt es nichts Verbindendes. Gemeinsamkeiten werden ausschließlich durch Überlassung von Geld und Partyräumen gebildet, ansonsten lebt jeder am anderen vorbei.

Ben Brooks ist nicht so sehr ein Autor, dem es um die Beschreibung der Befindlichkeit seiner Generation geht, sondern er erzählt vielmehr von den Tagesabläufen, von den Versuchen die reichlich vorhandene Zeit irgendwie hinter sich zu bringen. Partys, Drogen, flüchtiger und emotionsloser Sex sind dabei immer behilflich.

Das Leben ist ein einziges Happening. Aber wehe, es tauchen Probleme auf. Doch, auch die gibt es in Jaspers Welt. Mal wird er von zwei jugendlichen Kleinkriminellen beraubt, mal verletzt sich seine Freundin, mal gelingt es den Partykids nicht, eine Kameradin ins Krankenhaus zu bringen. Allein die Reaktion darauf ist dermaßen lethargisch, dass der Leser des öfteren Angst um die Kinder bekommt und versucht ist, laut zu schreien, damit sie endlich aus ihrem Daseinsschlaf erwachen.

Nun wissen wir alle, dass das Gehirn während der Pubertät so einige Kapriolen schlägt und nicht jedes Verhalten von Heranwachsenden logisch und rational erklärbar ist. Doch Jasper und seine Freunde befinden sich so oft im Dauerrausch, dass es ihnen gar nicht mehr gelingt, zwischen Wichtigem und Nichtigem zu unterscheiden. Sie bleiben Gefangene ihrer eigenen Egozentrik, die als Hilfsmittel für unangenehme Situationen nur noch die über die Ohren gezogene Bettdecke kennt.

Man sollte Jugendliteratur von Haus aus nicht überbewerten. Zu ephemer und inkonstant sind die temporären Befindlichkeiten von Autoren und Figuren. Aus diesem Grund will auch der Roman Nachts werden wir erwachsen von Ben Brooks nicht als Abrechnung mit der Gesellschaft oder gar als Anklage gegen eine herzloses, wie auch immer geartetes politisches System gelesen werden. Er besteht vielmehr, und da ist Brooks in Hochform, aus Momentaufnahmen einer ohne Höhepunkte verschwendeten Zeit.

Im englischen Original lautet der Titel schlicht und ergreifend "Grown up" - aufwachsen. Das kommt dem Inhalt weitaus näher, als der doch etwas reißerisch daherkommende deutsche Titel. Erwachsen werden Jasper und seine Kumpel so schnell nicht sein. Das wird die wahrscheinlich anvisierte Zielgruppe dieses Romans wohl auch nicht.




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