Buchkritik -- Fiona Barton -- Die Witwe

Umschlagfoto, Buchkritik, Fiona Barton, Die Witwe, InKulturA Das spurlose Verschwinden von Kindern sorgt in der Boulevardpresse stets für Schlagzeilen, die die Verkaufszahlen in die Höhe treiben. Folgegeschichten und "Homestorys" über die Angehörigen sind ein beliebtes Thema gerade angelsächsischer Printmedien. Fiona Barton, selber lange Jahre Gerichtsreporterin, hat dieses Thema in ihrem ersten Roman "Die Witwe" absolut überzeugend aufgegriffen.

Als die zweijährige Bella Elliot aus dem Garten der Mutter verschwindet, läuft eine groß angelegte Suchaktion der Polizei. Die Medien stürzen sich ebenfalls auf den Fall und Dawn Elliot, Bellas allein erziehende Mutter, befindet sich auf einmal im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Der ermittelnde Kommissar Bob Sparkes legt sich früh auf Glen Taylor als Tatverdächtigen fest, der in Untersuchungshaft genommen wird.

Der Roman erzählt die Geschichte aus der Perspektive von vier Personen. Bellas Mutter, Sparkes der Ermittler, die Journalistin Kate und Jean Taylor, die Ehefrau des Verdächtigen. Aus diesem Beziehungsgeflecht macht Fiona Barton einen spannenden Psychothriller, der sowohl die polizeilichen Ermittlungen als auch die typischen medialen Abläufe beschreibt.

Auf verschiedenen zeitlichen Ebenen spielend, erzählt der Roman den vielschichtig angelegten Vorfall einer wahrscheinlichen Kindesmisshandlung. Obwohl der Tatverdächtige Glen Taylor mangels Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt wird, geht Sparkes weiterhin davon aus, dass er der Täter ist und riskiert durch seine privaten Ermittlungen seine Karriere.

Nachdem Glen unter merkwürdigen Umständen zu Tode kommt, wittert die Journalistin Kate ihre Chance auf eine exklusive Berichterstattung über dessen Witwe, die, so die Reporterin, hoffentlich endlich die Wahrheit über ihren Mann erzählen würde.

"Die Witwe" ist ein überzeugender Roman über die Abläufe hinter der Kulisse einer Kindesentführung. Die Sensationsgier der Medien, die nur allzu gern die primitiven Instinkte ihrer Leser ansprechen und eine Mutter, die sich schnell an ihre öffentliche Aufmerksamkeit gewöhnt, kollidieren mit den verzweifelten Versuchen des Ermittlers, den Verdächtigen überführen zu können. Auch dessen Ehefrau, die einzige in der Ich-Perspektive erzählende Figur, und eine erstaunliche Wandlung von einer grauen und unterwürfigen Frau zu einer selbstbewussten Person vollziehend, zweifelt an den Auslassungen ihres Mannes.

Fiona Barton hat einen spannenden und gut konstruierten Roman geschrieben, der das Verbrechen an Bella Elliot als Aufhänger für eine psychologisch raffinierte Geschichte benutzt.




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Veröffentlicht am 19. Juni 2016