Buchkritik -- Patrick Wunsch -- Der Künstler und die Assassinin

Umschlagfoto, Buchkritik, Patrick Wunsch, Der Künstler und die Assassinin, InKulturA Zwei Welten prallen im Roman von Patrick Wunsch aufeinander. Eine selbsternannte Avantgarde, die im Untergrund agiert und einem mysteriösen Meister Gefolgschaft geschworen hat und eine hermetisch abgeschottete Welt der, sagen wir, Schönen und Gebildeten, die den Künstler Leon Witt wie die Motten das Licht umschwärmt.

Die Digitalisierung ist weit fortgeschritten und hat sämtliche Bereiche der Kunst erfasst. Musik, Literatur und Malerei ist, diesen Eindruck erhalten die Leser und Leserinnen, nur noch eine Frage der Algorithmen. Doch die Sehnsucht der Menschen nach Authentizität, nach von Menschen gemachter Kunst ist groß und dieses Desiderat erfüllt der schier omnipotente Witt mit seinen Werken, die, in welcher Kunstform er sich auch ausdrückt, Begeisterung, ja Verehrung hervorrufen.

Größer könnte der Kontrast zu den Mitgliedern, den Kämpfern der Avantgarde nicht sein, die im Dunkel eines aufgegebenen Industriereviers unter dem Kommando des Meisters und unter den misstrauischen Augen seiner Paladine an der Errichtung einer neuen, besseren und wie der Meister es in Aussicht stellt, gerechteren Welt, vulgo eines revolutionären Umsturzes, beteiligt sind.

Eine davon ist Zoe, wie es heißt, aus gutem Haus stammend, die vom Meister dazu auserkoren wird, um mit einer spektakulären Aktion diesen Umsturz in die Wege zu leiten. Sie soll Leon Witt und seine Entourage während eines Festes töten.

Es sind die von Patrick Wunsch erzeugten Gegensätze, die dem Roman ein schwebendes Spannungsverhältnis verschaffen, das gekonnt zwischen einer dystopisch-diktatorischen Zukunftsvision und einer utopisch-künstlerischen Welt, die, weit entfernt vom normalen Leben, eine Enklave der Kunst in einem Meer der Bits und Bytes darstellt.

Zwei junge Frauen, Zoe, die Assassinin und Marike, die Nichte des Künstlers, stehen im Mittelpunkt der mit großer Sprachkunst erzählten Geschichte um den wohl ewigen Kampf der Kunst gegen das Banale, das Alltägliche. Während Leon Witt mit seinen vielfältigen Kunstwerken auf Begeisterung stößt, muss der Meister seine Gefolgschaft, besser ausgedrückt, seine Herde, durch Zwang, Furcht und ideologische Indoktrination zusammenhalten.

Als Zoe sich in die von Witts Freundin Valerie organisierte Feier einschleicht, zweifelt sie daran, ob sie überhaupt den Mut hat, das Attentat durchzuführen. Hin- und hergerissen zwischen der Ästhetik der Wittschen Werke und ihrer Wut gegen Reichtum und Dekadenz, macht sie, zu spät, einen Lernprozess durch, der am Ende dazu führen könnte, dass die scheinbar gegensätzlichen Welten der Kunst und des Alltäglichen doch über Schnittpunkte verfügen.

Trotz der dem Roman innewohnenden Tragik ist Versöhnung möglich. Das lässt die zum Schluss ausgestreckte Hand vom Marike hoffen.




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Veröffentlicht am 14. August 2022