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Buchkritik -- Matthew Desmond -- Armut

Umschlagfoto, Buchkritik, Matthew Desmond, Armut, InKulturA Eines vorweg, dieses Buch von Matthew Desmond ist auf die Situation in den USA begrenzt. Sein Fokus liegt auf den dortigen sozialen, gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Bedingungen, die, so der Autor, dafür verantwortlich sind, dass in dem reichsten Land der Erde, mehr Armut herrscht als in jeder anderen westlichen Demokratie.

Amerika, eine Nation, dessen Selbstverständnis eines großen Teils seiner Bürger u. a. darin besteht, für sich selber verantwortlich zu sein und den Staat so weit wie möglich aus der privaten Lebensführung herauszuhalten, hat, Matthew Desmond zählt viele davon auf, eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die schlimmsten Auswüchse der dort herrschenden Armut zu bekämpfen.

Doch, so weiter der Autor, Professor für Soziologie an der Universität Princeton, der 2017 den Pulitzer-Preis für sein Buch „Zwangsgeräumt“ erhalten hat, nicht genug, aber es gibt Möglichkeiten, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden.

In diesem Buch analysiert er Beiträge aus der Geschichte, Forschung und Originalberichterstattung, um zu zeigen, wie wohlhabende Amerikaner wissentlich und unwissentlich dafür sorgen, dass arme Menschen arm bleiben. Diejenigen, die finanziell abgesichert sind, beuten die Armen aus, senken ihre Löhne und zwingen sie gleichzeitig, zu viel für Wohnraum und Zugang zu Bargeld und Krediten zu bezahlen. Sie geben der Subventionierung ihres Reichtums Vorrang vor der Linderung der Armut und schaffen einen Wohlfahrtsstaat, der denen am meisten hilft, die es am wenigsten brauchen. Und sie horten Zukunftschancen in exklusiven Gemeinschaften und schaffen so Zonen konzentrierten Reichtums manchmal in direkter Nachbarschaft konzentrierter Armut und Verzweiflung, der wie Desmond es ausdrückt: „Manche Leben werden klein gemacht, damit andere wachsen können.“

Auf den Punkt gebracht besteht sein Fazit darin, dass er versucht, den Weißen (oder den zumindest nicht armen Weißen) in Amerika die Schuld für alle Probleme der Armut zu geben, mit denen Minderheiten konfrontiert sind. Ein Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass die Hälfte derjenigen, die in Amerika unter der Armutsgrenze leben, nicht-hispanische Weiße sind, und die Mehrheit der in Armut lebenden armen Kinder ebenfalls nicht-hispanische Weiße sind – immerhin 57 Prozent. Das in progressiven Kreisen verbreitete Narrativ, dass es weißen Menschen standardmäßig besser geht, ist also nicht immer eine zutreffende Darstellung.

Zustimmen muss man Desmond bei seinen Argumenten für die Bildung starken Gewerkschaften, die die Rechte der Arbeitnehmer vertreten und, zusammen mit politischen Vorgaben, dafür Sorge tragen, dass gerechte Löhne gezahlt werden, damit Familien ein menschenwürdiges Leben führen können.

Vollkommen richtig beklagt der Autor auch die Steuerflucht großer Unternehmen, die ihre enormen Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen transformieren und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen.

Ebenfalls nicht ganz falsch liegt er bei seinen Vorwürfen an die Bürger, die mit ihrem unkritischen Konsumverhalten Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen perpetuieren. Man denke nur an Konzerne wie Amazon und Konsorten.

Falsch liegt er jedoch bei seinem Argument, dass „Arme“ keinen Zugang zu Bankkrediten hätten, um sich (Wohn)eigentum zu schaffen. Wie war das doch gleich in den Jahren 2007/2008, als der Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes eine weltweite Finanzkrise ausgelöst hatte? Die Auslöser waren sog. Subprime-Kredite, die an Personen mit geringer Bonität (Desmonds Zielgruppe) gewährt wurden. Diese Tatsache erwähnt der Autor leider mit keinem Wort.

Seine Vorschläge zu Lösung des Problems, und da geht er mit den Linken in den westlichen Demokratien konform, besteht in der großen Umverteilung des Kapitals. Nehmt es von denen, die es haben und gebt es denen, die es brauchen.

Dass das nicht funktioniert, sieht der aufmerksame Beobachter des politischen Zeitgeists vor allem hierzulande. Trotz groß angelegter und teurer staatlicher Projekte, vulgo Steuergelder, verharrt die Mehrzahl der Transfergeldempfänger in ihrer jeweiligen Situation. Der aufgeblähte Sektor Sozialausgaben löst keine Probleme, schon gar nicht das der grassierenden Armut von Familien, sondern erhöht nur die Zahl der davon Profitierenden – inklusive der damit zusammenhängenden Sozialindustrie.

Provokativ ausgedrückt, niemand kauft sich ein Haus „nur“, um den Steuerabzug zu erhalten.




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Veröffentlicht am 19. April 2024